Weinnase auf den Azoren 2003

Newsletter Nr. 113: (K)Ein Genuß zur Nacht!


Die Feste, hier auf der kleinen Atlantik-Insel, sind schon was Großartiges. Die Ereignisse und Künstler werden vom -einzigen- Insel-Radio-Sender seit Wochen "vorgestellt".
Jede Menge Aushänge mit genauem Veranstaltungsplan findet man dann. Um 20:00 h fängs'ts i.d.R. an... und die ersten neugierigen Gäste stellen sich ein.
Wir blieben bis gegen 21:00 h die ersten... und einzigen. Bewunderten die, mit wichtigen Mienen, eilenden "hetzenden" Handwerker bei ihren doch wichtigen Arbeiten und Abschluß der Aufbauarbeiten an den 11 "Freßbuden" und der festlichen Illumination.
Und so kriegt man - den Marsch der Blaskapelle zum 12. Mal im Ohr... Taräh, Taräh, Tsching-Bäng. Ein Marsch, der so... unterschiedlich zu den deutschen, dem bayrischen Defilier-Marsch z.Bsp., klingt. Irgendwie flotter und öfter neben (über) den Noten klingend.

Die vier Leuchtbirnen neben dem damit geschmückten Kreuz des Kriegerdenkmals von 1924 auf dem kl. Rathausvorplatz, die platzten nun zum 8. mal. Die Techniker beratschlagten und erneuerten und bedauerten: 9 Fall von Anfall und keinen Einfall dem Desaster abzuhelfen. Da nützten auch die gegenseitig zugebrüllten "Schuldzuweisungen" nicht.
Kein Licht = kein Fest und im kopfschüttelnden "Gemurmele" verstand ich nicht den Rest der fachmännischen Bemühungen.

Die Blaskapelle spielte zum 10. mal den Marsch: Taräh, Taräh, Tsching-Bäng...!
Das, mit 4 modernen "Rennwagen" Cockpit's ausgestattete "Fahrgeschäft" konnte ohne Strom sein "Angebot" nicht starten. Die Betreiber standen stumm und genervt wartend.
Nun gegen 21:30 h fanden sich ein paar Jung's in schlechtsitzenden Designer-Buxen mit Baseball-Kappen -man(n) kennt diese aus den USA- ein. Die schien's nicht zu stören; hier schien nix zu klappen.

Die Blaskapelle spielte zum 11. mal den Marsch: Taräh, Taräh, Tsching-Bäng...!
Das hölzerne, schlicht- u. selbstgebaute Glücksrad wurde so bestaunt. Die Preise, die zu gewinnen waren -Waren der hiesigen Geschäftswelt- standen begehrlich dort um zu locken.
Die Jung's verzogen sich. Zwei ältere Damen schien's "Getümmel" anzuziehen. Unter den mit Leuchtbirnen bekränzten Platanen blieben sie auf einer Bank stumm - das Geschehen fest im Auge.
Und dann, die Uhr zeigte bald 22:00 h an, leuchtete das Rathaus so mit 100-derten von Leuchtbirnen mit seiner Fassade aus dem klösterlichen Mittelalter wie 'ne Kirmesbude.

Die Blaskapelle spielte zum 12. mal den Marsch: Taräh, Taräh, Tsching-Bäng...!
Einige -wenige- Bürger fanden sich mit ihren Kindern ein. Sie waren mit Zuckerwatte vom kl. Süßwarenstand und schicken -neuen- Kleidern ausgestattet.
Folkloristische Gruppen, Musiker mit Strohhüten und noch mehr fröhlich wirkende Schaulustige u. Kinder fanden sich so gegen 22:10 h ein.
Formationen bildeten sich und letzte Anweisungen geben den gewünschten Schliff. Frierende Mädels der örtlichen Sportgruppe von Vila nebst ihrer Lehrerin gingen auf den dort -vor'm Rathaus- seit 1872, so schien es, unveränderten >Philharmonie-Pavillion< zu. Mit bunten Bändern und einem Sportdress, -der den Bauch freilässt- und Geschnatter und Geziere sollten diese Mädel's den Auftakt geben, bei dem Fest.
Alle Mädels so in dem Alter, wo noch kein BH so richtig passt und man, urplötzlich -grundlos- die beste Freundin hasst und kein Dress u. Drill so richtig passt.
Die progressiv auftretende Lehrerin, mit verwaschenen Jeans und -leicht- fettigem Haar flatterte und zeterte um die Girly-Group und sah ihre mühsam einstudierte Choreographie schwinden, denn...

Die Blaskapelle spielte zum 13. mal den Marsch: Taräh, Taräh, Tsching-Bäng...!
Die Mädels sollten zu modernen Pop-Hit's und nicht zur Marschmusik tanzen, das war zu verstehen, als die 100.000 Mega-Musik-Boxen-Watt uns neben den alten Damen die -stoisch- neben uns saßen, die Ohren weg - und die immer nervöser werdenden Mädels "auf die Bühne" des Pavillion's "fegten".
Stolze Eltern u. Verwandte bildeten den ersten, dichteren Kordon um den Musik-Pavillion. Mit dutzenden Kameras und zum Applaus bereit.
Und... die Lehrerin "flatterte", eins der süßen Mädels verweigerte" sich zickig, der Musikmacher (ich glaub', hier heißen die auch > "DJ" <) "keifte" und...

Die Blaskapelle spielte zum 14. mal den Marsch: Taräh, Taräh, Tsching-Bäng...!
Natürlich wieder mit "falschen Tönen" - ich begann schon zu "stöhnen" und zur >unpassenden< Zeit. Das merkte sich der DJ, und stellte die Boxen von 100.000 Watt auf doppelte >Power< leise grinsend ein.
Die Lehrerin, immer nervöser, gab das Signal und... - nein, nein: nicht die Blaskapelle, sondern - irgendwelche Girly's mit etwas sprachfehlerhaftem "Hibbi-Hubbi-Trallalahhh" bildeten den musikalischen Background einer mit bunten Bändern -entgegen jeglicher Zumutung auf der Bühne zu hopsen und zu "wedeln" - den Takt der CD zu finden.
Versuche, die mit frenetischem Applaus der stolzen Väter, Mütter u. Verwandten bedacht wurde.

Zwischenzeitlich hatten sich die Trachtengruppen -teils barfuß- mit grob-wollenen Kostümen: Mädels mit weiten glockenförmigen Röcken und Holzlatschen, über die Schultern Spitzentücher, die Jungs mit ebensolchen Stoffen und daraus gefertigten >Hosen< bis unter den Achseln, Hemden aus Leinen und einachen Westen mit Lederschuhen - versammelt.
Die Gitarren-Band mit Akkordeon sich eingestimmt, die Bänder-Mädels mit Applaus bedacht die Bühne verlassen und...:

Die Blaskapelle spielte zum 15. mal DEN Marsch: Taräh, Taräh, Tsching-Bäng...!
Die Formationen u. Gitarrenband belauerten sich auf der Bühne, wann nun wer den rechten Einsatz gibt. Zwischenzeitlich war auch das letzte der -bunten- Lichter auf dem Rathausplatz an und die knallenden Raketen in der Regenwolken-dunklen Nacht "verkracht".
Von den "Freßbuden" kamen Gerüche, Fettgebackenes, Krabben vom Grill, Vinho und Bier, bunter Puff-Mais, Cola und süßes Eis bildeten so den Kreis an lukullischen Vergnügen an langen Tischen & Bänken im Freien.

Kühl und so kurz nach 23:00 h. war's geworden. Die Einigung zwischen Gitarrenband und den Formationen in Trachten hatte wohl stattgefunden - wie immer so seit über 200 Jahren(?) wohl -. Frauen sangen "knatschend-schrill", die Tänzer standen nicht mehr "still" und drehten sich -hopsend an den verschwitzten Händen haltend- abwechselnd nun im Kreise.
Die Männer fanden ihren Ton und "Platz" im Chore nun. Die Tänzer, immer "wilder" den "richtigen" Dreh und... oh weh...

Die Blaskapelle spielte zum 16. mal DEN Marsch: Taräh, Taräh, Tsching-Bäng...!
Und ich dacht', so still bei >dem Marsch<, nun ist's Fest so im... A...beseit geraten; aus dem Takt geraten.
Falsch geraten: So, als wenn nix wär, gings hoch und weiter -immer so heiter- auf der Bühne hier und hin. Im "Gewoge" und Gehopse sah' ich "keinen Sinn"!
Mich zog's zu den Buden, zum probieren hin. Fast unbemerkt hatte sich der ganze Platz und auch die Straße mit fröhlich Feiernden gefüllt. Die "Dorf-Polizei" war - ganz gewichtig und "poliert" nun auch dabei. Es herrschte Gedränge und Gesänge von der Bühne.

Den "Abzug" der beklatschten Formationen u. Trachten von den versch. Dörfern u. Gemeinden aus Santa Maria fast verpasst. Denn danach sollte dann der Höhepunkt der Nacht - so kurz vor 24:00 h war's schon - stattfinden.
Einige, verspätete, Raketen fanden noch den Weg in den Nachthimmel. Maria's himmelten ihre Jose's an. Gut gekleidete ledige Herren, die Senhores suchten ihre Senhoras u. Senhoritas und so dies & das.
Und die Blaskapelle spielte zum 100.000 Male den immer noch nicht "sitzenden" Marsch. Ich überlegte, ob man's mir als... unfreundlichen Akt -mit Verbeugung- auslegen würde, würd ich DENEN die Spannung nehmen. Die E-Leitung der Lautsprecher-Anlage hatte ich schon im Auge!

Dan traten SIE auf die Bühne; mit Vorschuß-Applaus waren die Marieneser gar "aus dem Haus". Und dann begann der "Ohrenschmaus": Cantaten, Moritaten, Liebeslieder und gesungene Späße der Herren von Santa Maria, Terceira, S. Miguel und ihre musikalische Begleitung mit alten Saiten-Insturmenten.
Ganz weltmännisch in dunklen Anzügen ud mit Zigaretten in den Händen - Charles Aznavour wäre bei dem Auftritt "blaß" geworden - standen und sangen sie uns von... ich verstand nix mehr in diesen Insel-Dialekten.
Aber's kundige Publikum sang leise die Refraine mit, und nickte im -traurig klingenden Texte- mit"!
Langsam waren diese Song's von Liebe & Leid, von Freude und Leben in der Ferne und -es herrschte lautes Lachen- fing die Blaskapelle den -blöden- Marsch schon wieder und sooo... falsch an.
Zeit, es war gegen 01:00 h und sternenklare Nacht, selbst die dunklen Wolken haben sich wegen der Blaskapelle davongemacht, zu gehen.
Sich in Obhut des festlichen gekleideten Fontes und seiner > "Star-Car" < zu begeben einen -letzten- Roten "Perioquita" zu heben, den so neuen Freunden es zu wünschen: Ein langes Leben!

Kurz war die Nacht und wolkig der nächste frühe Morgen gegen... - ich hab' nicht auf die Uhr, sondern auf die Töne im -einzigen- Insel-Radio-Sender gelauscht: Die Blaskapelle spielte -fehlerfrei- DEN Marsch von Sonsa und ich saß mit "Dickem Kopp" da =>!<=
Tja, so sind sie hier, die Feste und... Langmut mit den örtlichen "Philharmonikern" gehört dazu.
Obwohl man's eigentlich nicht mehr hören kann: "Taräh, Taräh, Tsching-Bäng..."!

Und gegen 15, 16:00 h kommt Fontes uns hier in den stillen, ruhigen, abgeschiedenen "Nebel"-Bergen abholen. Brigitte ist -sauer- nach Malbusca >Gas< holen. Denn, so ist's üblich:
Zumindest sauber geduscht geht man zum Feste hin um fest weiter zu feiern. Wir -beide- hoffen nur, die Blaskapelle ist heut' bitte, bitte (ich opfere auch 2, nein besser 3 Kerzen in N.S. do Sáo Pedro) - nicht wieder dabei.
Denn heute feiern wir nicht in Vila do Porto, sondern in Sáo Pedro; und gehen mit der Prozession nach... >Porto Anjos<. Dort hin, wo sich einst der weltberühmte Chris Taube, besser als Christopherus Columbus auch zum Gebete einfand.
Er, wegen seines Gelübdes zur glücklichen Heimkehr von "Indien", das nun Amerika und ich, Chris Segers, wegen der -hoffentlich- nicht wieder DEN Marsch spielenden Blaskapelle > "Philharmonie von Santa Maria" < mein Gelübde eingehend u. opfernd.
Meinetwegen heiße ich ab heute "KunstbanauseDIE<, geh' ich nach Hause!

Schließlich leide ich! Hab'Kopfweh! Magengrummeln (das späte sau-scharfe Bohnengericht!) und bin   h u n d e m üd e . 
Und dann noch mit DIESEM MARSCH den eh' trüben Tag beginnend, sollte ich ihm wohl im "kühlen" Bett verbringen. Dort so >"Hosiannah" oder "Oh Susannah" singend und von... WAS höre ich da, leicht verweht und aus der Ferne.... WUSST ICH'S DOCH; Brigitte wird wohl mit Fontes & Familie allein "runter" gehen.
Ich bin krank!! BASTA!!!

Eure hundemüde, malade, olle Weinnase:
Aqua trinkend und gleich in's Bette sinkend!

NS: Ich hoff, ich hab' keine musikalischen Albträume!!