Weinnase auf den Azoren 2003

Newsletter Nr. 191: In einer Vollmondnacht...,


... so sag man hier, kann man sie sehen. Nicht sehr oft. Und auch nicht jeder. Hier auf meiner kleinen Atlantik-Insel, im Archipel der Azoren!

Es war gegen halb Drei in der klaren Vollmond-Nacht. Irgendetwas hat mich aus dem Schlaf gebracht. Wollte meine Frau nicht wieder stören und ging -leise- auf die Terrasse um genaueres zu hören. Besser hören wollte ich, was aus der Ferne so ... fremd herüberklang. Ein seltsamer "Sing-Sang", so mutete es mir an.

Und dann, im kalten, klaren Licht des Mondes über Malbusca's Bergen sah ich sie, Lichter, zur steilen Schlucht an unserer Bucht. Einer Lichterkette gleich. Und die bewegte sich, im Gleichklang einer Musik und Sprech-Gesang. Wie eine Prozession, so dem alten Küsten-Saumpfad entlang. Hin zu etwas -da tat ich meinen Augen kaum trauen- das aussah wie ein... griechischer Tempel, nein... mehr wie eine Maja-Pyramide; nur etwas kleiner schien der Bau.
Und mit Säulen oben auf der Spitze dieses Gebäudes. Komisch: Das mir dies in all der Zeit nie aufgefallen ist.

Da ging ich näher. Bedachtsam und ganz ruhig näherte ich mich von der von Mondlicht nicht beschienenen Seite des Bachtales von Além... zu Malbusca hin. Den Fontes, nahm ich mir fest vor, dem werd' ich morgen mal befragen, was dies für ein seltsames Gebäude -und von wem- dort sein kann.
Jetzt, als ich etwas näher kam, da erinnerte ich mich, diesen so fremd-wirkenden Gesang mit Musik im Hintergrund schon mal gehört zu haben. Und ging der Sache weiter auf den Grund. Und tatsächlich... ich musste Obacht geben hier am steilen Abgrund, eine Prozession mit Fackeln und Menschen. Schlanke, stolze, großgewachsene Menschen. Mit langen, offenen -in der warmen Meeresbrise leicht flatternden- Haaren, einige mit Blumenkränzen auf dem Haupte, einige mit -scheint's goldenem Reif- marschierten an mir vorbei.
Männer in Bermuda-Short's-ähnlichen Hosen, die unifarben im Mondlicht metallisch glänzten. Frauen, dicht mit Blütenkränzen, von Halse bis zur Taille, gehangen. Darunter einen kurzen sonnengelben Rock über gutgebräunten, schlanken Beinen. Nicht sehr muskulös, jedoch schon sportlich sahen alle aus.
Halt, ich wollt grad aus dem Mondschatten treten, das wäre wohl dann das Verhängnis, da sah ich dann den Alten. Mit bedächtigem Schritt, einen einfachen Metallstab von so... ca. 1,50 - 1,70 m in der lk. Hand ging er -leise Sprüche murmelnd- so knapp an mir vorbei, so daß ich sein Gesicht im hellen Mondlicht sehr gut sah. Dieses Gesicht! So edel und... fremd, war mit blauer Farbe, einem Ornament bemalt, das mich an irgendetwas erinnerte. Nur an was, daß... fiel mir wieder mal nicht ein.

Die Fackel-Prozession hatte zwischenzeitlich das Gebäude, nicht sehr groß oder hoch, erreicht und blieb stehen. Die Musik hatte aufgehört. Und nur ein Wort wurde, fast beschwörend, laut ständig wiederholt. Bis dann der Alte, ich sah's an seinem schneeweißem Haar, er mußte sehr, sehr alt sein, diesen Kreis der jungen Menschen, die immer noch das einzige Worte scandierten, erreichte und... alles verstummte.
Er hob den glatten Metallstab über seinen Kopf und eine irr-grelle lange, gebündelte blaue Flamme trat an der Spitze aus. Sie zündete eine flache, ungefähr im Durchmesser 2 - 2 1/2 m. runde Schale mit einem in ebenso blauer Flamme lodernden Feuer an.

Nun konnte ich das Gebäude, einem Tempel gleich, mit blau-glasierten, ca. 15 x 15 cm großen Kacheln genauer sehen. Ein Teil der Kacheln zeigten genau die gleichen -blauen- Ornamente, die der Alte im Gesicht hatte. Nur... nun sah' ich's ja genau, war's bei ihm wohl eine Tätowierung.
Der Alte kann nicht kleiner als um 1,75 m. und damit nur etwas größer als die Männer u. Frauen um ihn herum gewesen sein. Und sehr schlank war er, mehr hager. Die Brust war nackt und mit einem Ornament an, an... einer Kette, wohl aus gelbem Gold. Er trug einen langen schlichten gelben Rock.
Aus dem gleichgen, glänzenden Material war die Kleidung der Anderen. Die Oberkörper der Frauen waren nackt und mit nichts, außer wohlgeformten Brüsten, sonnengebräunt, "verziert"!

Was für ein seltsaes Bild. Diese Prozession, diese nicht grade portugiesisch aussehenden Menschen und... ein Gebäude, dessen Zweck u. Stilrichtung ich nicht erkannte. Ein Sakral-Gebäude vermutete ich. Ein Tempel? Welchem Gott geweiht? Und in welcher Sprache redete jetzt der Alte zu dem ihn umgebenden Kreis der jg. Menschen. Die, bis grad noch, ein Wort rhythmisch sprachen, das wie > "Ko-beeth" < mir klang.

Die Stimme des Alten war kräftig, ohne "laut" zu sein. Durchdringend, ohne "schrill" zu wirken. Was für ein Ritus - so vermutete ich mal- lief hier an dem von mir immer schon als >spirituell< empfundenen Ort, so nah der steilen Küste ab.
Und indem ich, vorsichtig, näher kam, sah ich hunderte von Booten mit sonnengelben, gerefften Segeln unten in der mondbeschienenen Praia liegen. Voll von Menschen. Ganz anders als ich Segelboote -bin selber Segler- kannte; allein der Bug war seltsam hochgezogen, ausgeformt und nicht zu irgendeiner "Norm" passend: FREMD!

Die Boote waren voll besetzt, das sagte ich, und auch beladen. Mit was, das sah ich nicht genau. Nur das in der Bucht von Praia -ich konnte es nicht verstehen- ebensolche, sich nach oben konisch verjüngende Gebäude mit Säulen u. Kapitälen befanden. Nur wesenltich größer und alle mit glänzenden Kacheln verkleidet, die das volle Mondlicht gleißend reflektierten. Diese Gebäude wirkten leer... und nicht so zeremionell, wie dies kleinere hier vor mir.

Den Mondschatten, links von Malbusca her, ausnützend, ich schlich schon fast, kam ich noch etwas näher und... ganz unverhofft, vermochte ich den Alten und seine Sprache verstehen... ich verstand, wo ich mich befand!
Mitten in einer großen Abschieds-zeremonie der - unglaublich, ich wag's kaum zu sagen = ATLANTER, Menschen von Atlantis - !

Ich hatte es mir doch so nicht vorgestellt, diese längst "verlorene "Welt". Sie wirkten schlichter und nicht so "gewaltig", diese Menschen, die Atlanter. Und soweit ich's erkennen konnt, waren ihre Gebäude, wie dies vor mir, aus saubergefugten... glasierten Kacheln o.ä. Material, leicht und zweckmäßig gefertigt. Die höchsten Gebäude in der Bucht wohl nicht mehr als 3, 4 Stockwerke. Feste Dächer, aus eben dem Material geformt und wirkten architektonisch "genormt"!

A T L A N T I S . . .   es ist ein Traum!
Und ich "mitten drinne"! Das wird' mir doch keiner glauben; ich tu's ja selber kaum.

Der Alte dankte seinem "Herrn", den er Mestré nannte und sprach von neuen Wegen, neuen Zielen, fernen Welten, anderen Ländern, die es galt - und dies war klar - noch heute anzusegeln. Denn die ihre, Alte Welt, die würde nun sehr bald vergehen. Die Zeichen hätte dieser Mestré ganz genau gesehen. Atlantis untergehen? Die Atlanter wollten gehen?
Und da begann ich -langsam ahnend- zu verstehen: Sie mussten gehen. Soi schnell und weit wie möglich, denn den sie den Mestré nannten, war der "Vater aller Atlanter". Den, den sie über alle Maßen -hier, genau an dieser Stelle - verehrten und sich von ihm verabschiedeten. Ich sah die letzten von Atlantis. Atlantis, diser UR-ALTE Welt, die würde vergehen.
Nichts würde bestehen und er dankte ihrem Mestré, der ihnen den Untergang mit ihrem so geliebten Inselreich erspart hatte. Er, der lange vor aller Zeitrechnung dieses Schicksal gesehen und den besten Zeitpunkt für diese "Reise", den Abschied für immer, von dem sagenhaften Atlantis genau geplant hatte.
Und dieses "Ereignis" hatte er an seinen besten Schüler, den Neuen Mestré, weitergegeben und gelehrt, alles Wissen aus vielen Jahrhunderten zu sammeln. Pflanzen u. Tiere von dem Inselreich, in kl. sicheren u. transp. Biotopen mitzunehmen. Jeden, ob Kind ob Greis, mitzunehmen.

Ein jeder "Kapitän", der "Wissender" genannt wurde, hatte sich auf dieser Reise schon sehr lange vorbereitet. War von dem letzten Nachfolger des Mestré, dem würdigen Alten dort mit allem Wissen über die neuen Orte, die Navigation nach den Sternen, und was zu tun sei und erwartet wurde, unterrichtet und instruiert.
Jedem "Wissenden" waren an hundert sichere, wendige Boote zugeteilt. Und gleiches Bild wie hier, würde in dieser in der letzten Nacht sich ringsum in den Häfen des Inselreiches -gleiche Zeremonie- zur gleichen Zeit ereignen.
Alle -bis auf einen- würden gehen. Und der eine war der Alte, dieser Mann, gar nicht weit von mir. Und jetzt, in dem ich näher kam, erkannte ich auch die Ornamente auf den "Kacheln". Und dies in seinem Gesicht!
Mann, ich fasse, ich fasse es nicht: Dies war das Zeichen für Atlantis; das Symbol des längst von ihnen gegangenen Mestré! Und dies, dies ist nicht nur mir so... wohlbekannt! Es es das...: Der Alte hob die Stimme und sagte, das niemand von ihnen je zurückkehren und alles von und über Atlantis "vergessen" würde. Von den bewegenden Kunstwerken, von den universellen Lehren, von... an nichts dürften sie sich erinnern.
Ein neues Leben bringen. Ein neues Leben finden. Ein neues Leben zu führen; von Atlantis so weit entfernt (dafür waren sie ausgesucht, ein jeder nach seinen Fähigkeiten und bes. Neigungen) zu leben.
Als "Bringer", genau von was, das hab' ich, in dem tiefen Grollen aus dem Inselreiche, weit hinterm Pico Alto von mir geschätzt, nicht mehr vernommen.

Mit ruhigem Schritte ging der Alte auf eine golden wirkende Türe in dem Tempel-Gebäude zu und die anderen gingen. Ohne Musik, ohne Gesang und ohne sich noch einmal umzublicken von jenem seltsamen Orte -und nicht in Trauer, wie ich dachte, fort. Der Alte blieb. Trat in den Raum, diffus leuchtend, ein. Er ließ die Türen offen. Die Menschen eilten auf die Bucht, die so ähnlich aussah wie die von Praia zu.
Und ich der Türe näher zu. Wollte mehr sehen. Wollte wissen, was in dem Raume sei. Ein Bildnis dieses sagenhaften "Vater aller Atlanter" sehen. Den Alten so vieles fragen, ihm etwas von mir und meiner -unserer- Welt erzählen.
Und ich ging näher, wagte mich bis zur Türe vor, da sah ich dann den Alten sitzen und mir in die Augen sehen. Und er sprach zu mir..., und dies klang so wie... "auch du musst jetzt gehen"!
Denn niemand, auch ich nicht durfte Atlantis je wieder sehen.

Der Hahnenschrei-frühe Morgen weckt mich.
Es wird wieder ein schöner Tag werden. Ich werde Fontes fragen, ob er Zeit für 'ne Tour nach Vila hat und... Guten Morgen!

Eure Weinnase;
die dies alles scheints nur so geträumt hat!
Zuviel im Magen von Lauras leckerem Essen u. süßem Kuchen!