Weinnasen in Brasilien 2008

V. Brasliens Ruhm und Leid

11.10.2008

Tach aber auch!

Als die Bandeirantes, die brutalen Expeditionstruppen im Auftrage des portug. Königshauses, von Sao Paulo aus den Süden und Westen in eigentlichen Besitz nahmen (1600), waren sie die "Fahnenträger" der Adelshäuser auf der Suche nach Gold, Silber Edelsteinen (Diamanten) und Sklaven bis an den Rio de la Plata, dem Silberfluß vorgestoßen. Die ersten Goldfunde bei Sabara entdeckte Manoel Barba Gato 1688, Diamanten wurden noch viel später, im heutigen Bundesland Minas Gerais, im sog. "Diamantenfieber" des Jahres (ff.) 1725 von bisweilen +40.000 Schürfern und Wäschern aus dem jungfäulichen Boden "gequält"!. 1788-1792 versuchte José da Silva Xavier mit der "Inconfidencia Mineira" eine Unabhängigkeit vom Königreich Portugal -Europa- zu erkämpfen, die mit seiner Hinrichtung in Rio de Janeiro als Bewegung unrühmlich endete.
Napoleons Truppen in Portugal ließen 1807 das Königshaus unter Dom Joao VI. nach Brasilien fliehen. Am 07.09.1822 wurde die erste wirkliche Unabhängigkeit unter Pedro I. mit seiner österreichischen Frau und Erzherzogin Leopoldine zu einem >Kaiserreich Brasilien< durchgesetzt. Unter dem 2.ten Kaiser Brasilien, Dom Pedro II., kamen 1847-1854 die ersten großen Einwanderungswellen mit deutschen Aussiedlern ins Land. Insbesondere hier in den süd-westlichen Teil Brasiliens, nach Rio Grande do Sul und dem Nachbar-Bundesland Catarina (...Blumenau!). Erst 1888 wurde durch die "Lei Aurélia", die "Goldenen Gesetze", die Sklaverei offiziell abgeschafft und im Jahre 1889 die Republik -nach Sturz des schwächelnden Kaisers-, die Monarchie abgeschafft - Brasilien als Bundesstaaten-Verbund unter dem ersten Präsidenten der >Vereinigten Staaten von Brasilien<, Marechal Deodoro da Fonseca geführt.
Einige Zeit, im sog. "Kautschuk-Boom", war Brasilien die reichste Stadt der Welt. Mitten im Urwald am "wilden" Amazonas, in den Jahren von 1900 - 1920. Der autoritäre Präsident Getulio Dornelles Vargas (1930-1945 und 1951-1954) legte den wesentlichen Grundstein zur Industrialisierung Brasiliens und schlug "blutig" 1935 die kommunistische Revolte(n) der ausgebeuteten Arbeiter auf ihrem "langen Marsch" 1935 nieder und geht als Kriegsgegner der sog. Achsenmächte (Deutschland, Italien und Japan) 1942 besonders hart gegen die hier siedelnden Deutschen und deutschstämmigen Pioniere vor. Die deutsche Sprache und Kultur war offiziell verboten.

Wenn man bedenkt, daß das riesige Land Brasilien trotz seines Ressourcen-Reichtums 1980 die größte Ausandsverschuldung der Welt hatte, wunderts nicht, daß dies das Ende des brasilianischen Wirtschaftswunders bedeutete. Auch "Lula" da Silva, Präsident mit "PT" - sozialem Regierungsprogramm (seit 2002), schafft es nicht wirkungsvoll, mit seiner "PT"-Arbeiterpartei, die bundesweite bittere Armut zu bekämpfen. Und dies bei ungeheurem Rekord-Überschuß von 1,4 Milliarden Euro.
Der Real (R$) erlebt seinen tiefsten Stand und die Arbeiter und weite Teile der Bevölkerung leiden bittere Not durch die stagnierende Wirtschaft. Mit der MSG (=Movimento Sem Terra) und ihren 1 1/2 Millionen Mitgliedern kommt die größte und potenteste Sozialbewegung 2005 hervor, um die Regierung zu einer längt überfälligen Agrarreform zu "zwingen". Die "Revolution der Landlosen" wird mit blutiger Staatsgewalt und vielen Toten niedergeschlagen. Zwischen 1985 und 2005 wurden -offiziell- zugunsten der Landeigner und Großgrundbesitzer über 1.200 Landarbeiter erschossen = ermordet. Der "VW do Brasil" - Stellenabbau 2006 um 3.600 Arbeitsplätze lässt weitere Unruhen entstehen. 2007 schließen sich große Teile von Favelas zu bewaffneten Banden zusammen und Rio de Janeuro wird zum Hort brutaler Slum-Gewalt und vieler Morde; das Wüten bekommen erst Polizei-Sondertruppen aus Brasilia in den Griff (2007).

Die Oligopole der Wirtschaft und Medien (8 Familien-Clans!) "gängeln" die Regierung von Lula, der als "sozialistischer Staatspräsident" seit Jan. 2007 wiedergewählt wurde. Ob er das sich wirtschaftlich gerade erstarkende Brasilien auch sicher und unbeschadet durch die nun krisenhafte Zeit bringen kann, muß sich noch zeigen. Schon zeigt sich -wieder- eine rapide Inflation und Verfall des Real (mit US-$-"Bindung"!). Die ausländischen Investoren zeigen Ängste am Markt. Viele Träume scheinen nun doch noch zu platzen. Ob da die fröhliche Samba als "Tanz der Armen" hilft?
Noch habe ich >Carmen Miranda< (1909-1955) im Ohr: "O Que e Que a Bailana Tem". Brasiliens Samba-Stimme (und Schauspielerin) mit über 280 (!) Platten. Als König des Samba ist der Komponist José Barbosa da Silva (1888-1930) und Clara Nunes die passende "Königin" dieses afro-bralilianischen Musik-Tanz-Stiles, der 1916 erstmalig im bras. Karneval in der heutigen Form und Art auf die "Neue Welt" kam. Mit dem im Jahre 1942 geborenen Sänger und Gitaristen und heutigen (2002 Kultusminister) Gilberto Gil verbindet sich der Samba de Roda.
Musik, Politik und Sport sind die allgegenwärtigen Gesprächsthemen - neben denen der derzeitigen Wirtschaftslage = Inflation und den damit verbundenen Ängsten und bestehenden Sorgen!
Was kümmert den Brasilaner aber schon groß "Morgen", wenn er heute leben kann. Und dies Lebensgefühl herrscht auch hier in unserem kl. Dorf MoRe vor. Z. Zt. aber gilt es, einen Hahn zu "bewundern", der auch Eier legen und bebrüten soll: Toll!!

Die "Deutschen", die sich hier -also wir- auf den staubigen Pisten und sonnenheißen Straßen zeigen, die sind aber ein wirklich neues Thema und werden bestaunt und allseitig freundlich gegrüßt und -für uns leider (noch) unverständlich- angesprochen. Denn Touristen -schon keine aus Europa- lassen sich hier nicht blicken. Selbst in Pelotas, der großen Stadt, nicht (sehr, sehr selten!).
Während ich hier unterm Zimtbaum sitze und etwas über die Neue Welt -BRASILIEN- schreibe und über/von unserem Traum nachdenke, werde ich vom Geklappere des nahen Bambus-Wäldchens und Rauschen des sanften Windes in den Palmenzweigen, dem murmelnden Bächlein und angenehmen Sonnentemperaturen so langsam -trotz des Gekreisches der rege jagenden, verspielten Papageien-Vögel- so langsam müde. Aus dem schattenspendenen Geäst des Zimt- und seine Nachbarn, dem Feigenbaum heraus beobachte ich das kreischende Raubvogelpaar am wolkenlosen, strahlend blauen Himmel und beginne nach nun 8 Tagen Brasilien zu spüren - wohltuende und befriedigende Ruhe stellt sich ein.

Eure olle Weinnase


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