Weinnasen in Brasilien 2008

XI. Der Norden im südlichen Brasilien!

15.10.2008

Tach aber auch!

Dichter, undurchdringlicher Nebel hat sich wie Watte übers Land der Pampa bei Morro Redondo gelegt und das eh schon ruhige Leben etwas gedämpfter als sonst für uns heute beginnen lassen. Berge an Mehl, Zucker, Fleisch und randvolle Kühltruhen und etwas von einer Anspannung lassen die anlaufenden Vorbereitungen für die Grande Fiesta am kommenden Samstag erkennen!
Sich fix "angemeldet" und untergebracht werden müssen bis dahin ca. 150 anreisende Gäste. Das Telefon steht kaum still, um die logistischen und lukullischen Arbeiten zu organisieren und koordinieren. Weitere Gäste melden ihr Kommen.
Es scheint uns, als wäre dieses "Pampa-Event" in den nächsten verbleibenden Tagen kaum in den Griff zu bekommen. Daneben stellt der abschließende Ausbau der "Casa Grande", dem neuen, großen Haus unserer Gastgeber große Anforderungen an den Haus-/Bauherren Oswaldo, der z.Zt. scheints Flügel entwickelt hat, und überall im Bereich des Gaucho-Festplatzes, Morro Redondo und bei Freunden, Geschäften, Nachbarn, Familien und der eigenen Landwirtschaft gleichzeitig erscheint. Ab 4:00 Uhr war für die Eheleute schon Tagesbeginn. Zu der Uhrzeit genossen wir noch die wohlige Bettruhe und Ruhe der "wattierten" Nebel-Pampa.

Aber auch wir werden uns heute bemühen/beginnen, "nützlich" zu machen. Es ist Waschtag und die Quelle muß sprudeln, die Stromversorgung ausdauernd und wir auch "kleine Helferlein" sein. Noch 3 lange Tage an Arbeit und in dieser kurzen Zeit wirds Fest, Häuser, Schlafstätten und eine schier unglaubliche, verschiedenartige Menge an Essen sowie 2 (!) Rindviecher fürs typisch brasilianische Grill-Vergnügen auf/vom Spieß kpl. ausgenommen, präpariert und "grillfähig" sein. Es soll schließlich ein gelungenes Fest mit Genüssen und viel Musik & Freude geboten werden. Eine so für uns einmalige Chance, sich als "deutsche Besucher" und neugierige Gäste vorzustellen.
Schon heute haben wir eine großzügige Einladung, weiter nördlich ins Land Rio Grande do Sul, zu anderen Clanmitgliedern, erhalten. Sehr gespannt sind wir auf diese neuen Gastgeber und's andere Landesteil nun "hinter" Porto Alegre.
Heute aber ist der "Grüne Waschsalon am Zimtbaum" geöffnet und alle drei "Hausfrauen" stehen an Zubern und Bottichen um den Berg an Wäsche im Garten zu bewältigen - viel Arbeit =Handarbeit für sonst SIEMENS oder AEG "verwöhnte" deutsche Hausfrauenhände und gebeugte Rückenplage. Die Leinen unter Palmen und am Bach entlang sehen schon jetzt aus wie 'ne Flaggenparade zur Olympiade, so bunt und voll und wehend! Und ich, ich tue danebenstehend, Kaffee kochen und bin meist hinter meinen Büchern und am Schreibtisch fleissig pinnend "verkrochen"!

Neulich, als wir bei Teresa & Eli zu einem opulenten Mittagessen geladen waren und ich den Damen beim Spül half, erklärte mir Elio, der Schwager von Oswaldo in Morro Redondos Nachbarschaft "verwundert" daß dies doch "Weyberskrams" und nichts für "Gauchos" wäre. So habe ich gelernt, daß das Grillen, die "Fleischsache" was für Männer ist. Genau wie der Hausbau, bei dem ich auch nicht mitwirken kann - und soll. Für mich ist z.Zt. nur sehr wenig an Hilfsarbeiten übrig.
Noch habe ich Zeit und Muße, mich am Schreibtisch und den Büchern zu "verabschieden" - und diese kl. Dokumentation eines für uns unbekannten Landes und ungewohnten Lebens aufzuschreiben: die ersten 10 Tage eines Lebens in der Neuen Welt, so wies uns bisher doch gefällt: Als ein gastfrei aufgenommener Besuch aus der hier kaum bekannten "Heimat", der Alten Welt, die man hier nur noch aus Erzählungen der Alten und sehr seltenen Besuchern kennt. Und wir sind hier willkomene "Erzähler" aus dieser längst "verblassten Heimat", der Eifel, dem Hunsrück oder gar Bayern.
Von hier gingen nach den beiden Weltkriegen damals aus dem zerstörten Deutschland und hungerndem Europa die größten Aussiedler-Trecks der letzten Siedlerwellen ins brasilianische "Urland". Insbesondere via dem alten Hafen in Rio Grande, weit ins unbekannte Brasilien. Zumindest 3 Generationen leben diese Familien, zumeist in Siedlungsverbänden in der Weite der Pampa, den Coloniás oder in Küstennähe, in den Städten Novo Hamburgo, Porto Alegre u.v.a.m., die wir nun wohl auf freundliche Einladung aus einem anderen Teil des Degen-Clas besuchen werden. Es wird eine lange und weite Reise auf den Spuren der Geschichte und den deutschstämmigen Pionieren und Siedlern, in über 500 km Entfernung, im nord-östlichen Teil des Bundeslandes werden, von der ich sicherlich noch -schon sehr gespannt- etwas erzählen werden kann.
Das kommende Fest ist unser "Kommunikator" und "Kontaktbörse" zugleich: Eine Reise ins Land der Gauchos, Pioniere und "Eroberer" der Pampa-Weiten!

Da Porto Alegre die Landeshauptstadt von Rio Grande do Sul, ca. 100 km vom Atlantik am größten Lagunen-Breich der Welt, dem "Lagoa dos Patos" (="Enten-See") und an der Mündung des Rio Guaiba, mit seiner portugiesischen Gründung 1772 eine Millionenstadt mit allen dazugehörenden Einrichtungen und besten Bus-/Flugverbindungen ist, wird der Besuch des "fröhlichen Hafens", die größte (1,4 Mio. Einw.) Stadt Süd-Brasiliens mit Spannung von uns angegangen werden. Zahlreiche "protzig" wirkende koloniale Gebäude sowie funkelnde Hochhäuser geben diesem Knotenpunkt des Handels und Verkehrs -sowie die vielspurigen Autostraßen- ein weltstädtisches Gepräge. Viel Geschäfte und Märkte sowie kulturelle Einrichtungen und Hotels sowie Restaurants und Cafés bieten den Touristen und "Heimischen" Kurzweil. Verwaltungen, Behörden und Büros sowie Lederindustrie bieten gutbezahlte Arbeit, wenn auch -wie fast überall-, zu wenig davon.

Das mir Porto Alegre "bekannt" ist, liegt auch daran, daß hier 2001 der erste "Weltsozialgipfel" von Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbänden, Nicht-Regierungsorganisationen (u.a. "attac") und Globalisierungskritikern, weltweit stattfand. Von hier gingen Italiener und Deutsche durchs Tor zur Neuen Welt ins hügeligste Weideland der Pampa, ins Weinland bei Caxias do Sul - Bento Goncalves und zu den Missionen im westlichen Teil des Bundeslandes.
Heute führen die gut-ausgebauten Straßen zu diesen Sehenswürdigkeiten und dem Nationalpark "Aparados da Serra" und zur Grenze, nach Uruguay (Chui/Chuy) und in das Nachbarbundesland Santa Catalina opder gar nach Argentinien -Buenos Aires- (="Gute Luft"). Ein 27 km langes Metronetz verbindet sicher verschiedene Stadtviertel mit dem Zentrum und zentralen Busbahnhof (Rodaviára) der sehr weitläufigen und ausgedehnten Stadt mit quirligem Großstadtleben und... beginnender Kriminalität.
Mit den städt. Doppeldeckerbussen kann man - auf einem Rundfahrt-Erlebnis alle Sehenswürdigkeiten für ca. 5-7 R$ "ansteuern". Deutsche Kirche, deutsches Konsulat und deutsche Namen der Geschäfte und Boutiquen lassen fast "Heimatgefühle" aufkommen. Selbst das deutsche Kulturinstitut, das "Goethe-Institut" ist hier präsent. Wer ausgehen will -und wird- der kann sich auf www.vejaportoalegre.com.br über Aktuelles aus der (Gastro-)Szene informieren. Für mich Maladen sind die gut ausgestatteten und modernen Einrichtungen des "Hospital das Clinicas" etc. wichtig; nur von Morro Redondo über 300 km entfernt, kaum sinnvolle Not-Versorgung.
Die Unterstadt, für "Cida de Baixa" lockt als "Ausgehviertel" Touristen, Studenten wie "Heimische" und die Intellektuellen mit vielfältigen Bars (in denen man -auch- isst), Kneipen und Boutiquen etc., insbes., den beliebten und traditionellen Cafes, an. Hier herrsscht das "beliebte" bras. Leben und Treiben, genau wie im Viertel "Moinhos de Vento", dem Windmühlen-Viertel am Farroupiha-Park.

Mit den umgebenden Städten Novo Hamburgo und Gramado an der >RS 235< und seiner sog. "Zwillingsstadt" Canela nebst dem dortigen "Parque do Caracol" sind weitere Städtchen auf unserer Route, in denen deutsche Pioniere die Siedlungen aufbauten und deren Nachfahren die Kultur und Tradition "DEUTSCH" pflegen und ihre Dörfer und Städtchen hegen.
Hier ist noch ein großer waldiger Bestand der >ARAUKARIEN< (teils 700 (!) Jahre alt!) vorhanden, bzw. wieder aufgeforstet worden. Das Holz des nun seltenen hohen Baumes mit sehr weitem Geäst, das nur die Kronen bildet, ist sehr als Möbel und Fenster- wie Türholz gefragt. Der Baumsamen einer der Eiweiß- und Fettlieferanten für die hier nicht mehr existierende, indigene Ur-Bevölkerung. Der Baum mutet, mit um 50 m Höhe und pyramidenförmiger Silhouette mit fast waagerechtem Kronen-Geäst, recht magestätisch an. Er ist nur hier auf der Südhalbkugel endemisch und bildet nadelartige (Tannen!) Blätter immergrün aus. Leider ist er den Raubrodungen des >Mata Atlantica< zum Opfer gefallen und hat noch knapp 10% seines seltenen Bestandes an langsam wachsenden Bäumen, die ihren Namen von der chil. Provinz hier haben!

Ca. 150 km auf gut befahrbahren Autopistas ist die "Schwarzwald-Region" von Novo Hamburgo [Porto Alegre etwas mehr] leicht erreichbares, touristisches Reiseziel der Brasilianer, die hier die Mehrzahl der Touristen repräsentieren. In der hiesigen Winterzeit die hiesige Attraktion sehen und bewundern wollen: den -gelegentlichen- Schnee und das "Schokoladenfest" in den Bergdörfern locken zur österlichen Zeit bis an die 150.000 genüßliche Besucher aus nah und fern, mit Folklore und Umzügen etc. an.
Dann übernimmt der Hase (Kostüme und Masken) das fröhliche Regiment als >Peter Coelho< (="Peter Hase" - Hasenpeter!) und ist der lustige Star für die Kindern in Brasiliens Süden, dem Gaucho-Land Rio Grande do Sul, wo gegen 1863 Wilhelm (Guilherme) Wasen der erste (und deutsche) Siedler gewesen sein soll. Voll wirds dann in den sonst so ruhigen und beschaulichen Orten, die von der Landwirtschaft (Obst) und Holz (Zellulose), Leder und Tourismus gut leben können. Etwas weiter und höher in die Serra Gaucha blühen weite - beim Örtchen "Morro Reuter" duftende Lavendelfelder in pitoresker Landschaft.

Klar, daß das auch unser Wunsch ist, die bestens verarbeiteten wie preiswerten Schuhe der hiesigen Lederindustrie -besonders in Novo Hamburgos "Centro Comercial do Calcadoi", dem "Schuhzentrum"- zu erwerben. Klar ist aber auch, das wohl ein "kleines" Reiseandenken für meine Herzallerliebste dabei mitgeht: Lederhandtasche oder -Täschchen als lohnenswertes Souvenir aus Brasilien!
Die als "Cafe Colonial" brasilienweit bekannte gastronomische Spezialität -fast in dem ganzen, weiten Gebiet der Serra Gaucha serviert und sehr gefragt-, wird auch uns an dies reichhaltige Buffet mit Getränken aller (nonalk.) Art locken. Leider sind in der "Stadt des Leders", im Zentrum, kaum noch architektonische Relikte der Kolonialzeit auffindbar.
Übers karge und entbehrungsreiche Siedler- und Pionierleben geben aber die örtlichen Museen u.a. Zeugnis und Auskunft. Und meine Gespräche (="Versuche") mit den älteren, deutschstämmigen Einwohnern, die gerne von "frieher" und ihren Voreltern (3. + 4. Generation) sowie über ihr Leben in den Colonias sehr "lebendig" erzählen und berichten. Sogar Briefe und -seltene- Fotos sowie Dokumente können ab und an -stolz- vorgezeigt werden. Wenn nur der Oberlehrer Sütterlin mit seiner Schulreform im Deutschen (Kaiser-)Reich nicht gewesen wäre und die Schriftform mit ("deutsche Schönschrift", die ich noch zum Beginn meiner Schulzeit lernen mußte!) konnte. Nur... diese uralten Handschriften vermag ich heute nur schwer zu "übersetzen"/lesen und verstehen!

Die, wie man hier in Brasilien sagt "Romantische Straße", die Rota Romántica (Taquara-Porto Alegre) werden wir also eine kl. Teil lang, als Gäste des Degen-Clan (hier sinds die mit dem ber. Namen Schmitz), kennenlernen und bereisen. Für die ganze Strecke müssen ca. 3-4 Tage eingeplant werden. Ob wir noch die Stadt in "Sáo Leopoldo", benannt nach der Erzherzogin und Ehefrau des bras. Kaisers Don Pedro I. (220.000 Einw.), überwiegend von ihr besonders "angeforderten" deutschen Handwerkern und Siedlern aus dem von Kriegen und Hungersnöten verheerten >Pommern<, erfolgreich in Besitz genommen wurden, sehen, ist ungewiß. An die 100.000 haben als Pommerer hier Ende des 19. Jhrdt. ihre Neue Welt - Heimat gefunden.
Ihr, der Hohen Dame zu Ehren feiert man hier in der Gegend jeden 25. Juli ein großes "Fest der Deutschen". Orte mit Namen Schmidt, Jammerthal und Salvador du Sul sind noch deutschsprachige "Inseln". In der "Casa do Imigrante" oder dem "Musen Visconde de Sáo Leopoldo" kann man auch hier mehr über diese enorm fleissigen und sparsamen Pommerer (und Hunsrücker) "sichtbar" erfahren.
Busse fahren regelmäßig in diesem Teil Brasiliens, der "Deutschland" als Spitznamen hat, und leicht über die >BR 116<, nördlich von Porto Alegre - Novo Hamburgo (45 km) und der >RS 020< erreichbar ist. Die >BR 116< geht via Pelotas (bis nach Urugay) nach Rio Grande und nördlich, bis nach u.a. >Curtiba< ins Nachbarbundesland, in dem auch viele Deutsche siedelten.

Aber... davon später mehr
Eure Weinnase
- als Weissnase -


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