Weinnase in Brasilien 2008

XXVIII. Geschichten, die das Leben schrieb!

01.11.2009

Tach aber auch!

Dieses an so vielen Geschichten "reichen" Land würde für tausende Seiten an der Historie von Brasilien angelehnte Roman - und für mich "Stoff" für mehrere Jahre haben. So von dem Kapitän Wellen van der Mies, der im Auftrage der westindischen Handelskompagnie mit holländischer Waffengewalt an einem unbekannten sog. "Schwarzwasser-Fluß" im kaum eroberten Küsten-Dorf mit den Ureinwohnern einen teuflischen Pakt gegen die so zahlenmäßig überlegenen Portugiesen schloß.
Von der frz. Fregatte, die die reichen Städte und Siedlungen an der Atlantik-Küste, als Piraten-Schiff, ausräuberte. Von dem kleinen Schiffsjungen, von der Insel Sta. Maria auf den Azoren, der während der Überfahrt in das nördliche Brasilien eine sehr entscheidende Entdeckung machte. Von BiniBam, einem baumlangen Mann und verschleppten Sohn eines gambischen Stammesführer, der als Rebell sein Herz an die ihm zugeneigte Pflanzertochter verlor und einen Sieg über Sklavenhändler unter portug. Flagge für sich und andere, aus West-Afrika stammende "schwarzen Brüder" erkämpfte. Von den beiden Brüdern Uruba und Yomxa, die aus einem sehr abseits im Gebiet des Rio Xingu lebenden Stamm der indiginen Urwaldvölker stammte. Oder von dem flämischen Jesuiten-Pater Pieter von Dingsem, der die Guaranie gegen eine erdrückende Übermacht der bras. Eroberer von Sao Paulo mit seinem Leben schützte. Von einem "komischen Heiligen", den man in den Favelas von Rio de Janeiro als "Held der Hemdlosen" verehrte.

Auch von einer entlaufenen und durch illegalem Diamantenabbau zu sagenhaftem Reichtum gekommenen Mulattin Isabell gäbs spannende Geschichten. Und von einem brasilian. Militär-Hauptmann, der als "Mordbrenner" vor den Holzschranken des Gericht in... die Stadt und unbestechliche Richter, die muß ich erst noch finden. Genügend Spuren von deutschstämmigen Einwanderern aus Simmern im Hunsrück. Von denen der jüngste Sohn Franz auf dem Ochsentreck in eine abgelegene Colonia sein Glück, mit Franziska aus dem Nachbardorf des verwüsteten Hunsrück, in der neuen Welt des südlichen Brasiliens fand. Und von einem Sauf- und Raufbold und sog. "Draufgängers", der in der Gegend um Receife bekannt -mehr berüchtigt- war. Irgendwie zu sehr, sehr viel Geld kam, es jedoch auch, von falschen Freunden zu waghalsigen Spekulationen "gewonnen", bis aufs buchstäblich "nackte Leben" in Windeseile alles verlor und dann doch als -armer- "Mann ohne Namen" glücklich, zurückgezogen und zufrieden, lange lebte und... noch etwas von dem Biologen Dr. Karl Zwingen, der in den bras. Urwald kam, um der sog. "Grünen Apotheke", mit Hilfe der ihn in dem Stamm aufgenommenen Nativs zu einem ungeahnten -wissenschaftlich bewiesenen- Erfolg und mit "Urwald-Medizin" einen Kampf gegen eine sog. "Volksseuche" weltweit zum stoppen bekam.
Hab ichs doch beinahe vergessen... von der geheimnisumrankten, der "verschwundenen Stadt", irgendwo im Urwald des Xingu-Gebietes kann ich noch eine Episode beisteuern. Und von einem haschenden, genialen Musiker und seiner mitumherziehenden Club-Tänzerin Marisa das Loblied einer facettenreichen Liebe der Beiden und zur Musik und Tanz!

So, nun wird meine "Echte" Barbara Becker in Düsseldorf-Flingern sichtlich nervös, wenn ich an ihr generöses Herz und an ihre geübte Fingerfertigkeit beim fleissigen Tippseleien so appellieren würde... tue ich aber nicht. Denn von all den -vielen- Geschichten und "Halbwahrheiten" und Erlebnisberichten würde ich schon beim Porto für einen DIN A5 -100 gr.- Brief schnell ein armer und - von der Schreibelust und -Zeit her gesehener alter Mann! Und dann? Wer will die Geschichten einer ollen Weinnase, die zur Weissnase mutieren wird, schon lesen.
Da pack ich mir nun schnell doch einen Reisigbesen und fege die sonnenwarme, leicht staubige Terrasse am alten Farmhaus in Morro Redondo und dann so, als ich nix hätt von all den "blöden Geschichtchen" im Kopp - denn ich denk', die Barbara sagt: STOPP!
Außerdem gäbs bestimmt damit nur einen Flopp!!

Wo ich aber nicht von lassen werde, ist die "Spurensuche" von deutschen Siedlern und "Pioneren", meist Bauern und kleine Handwerker auf Neuer Erde und ihrer neuen Heimat in der Neuen Welt = Brasilien, weiter nachzugehen. Zu spannend und wohl nicht weit groß bekannt, was diese Menschen in so wenigen Generationen aus diesem einst so "wilden" und größtenteils ehedem "lebensfeindlichen" Land - erfolgreich und beharrlich haben. Wie und wo sie heute als "deitsche Leit" leben und sich an ihre Lebensgeschichte, die auch ein Teil der Geschichte Brasiliens wurde, erinnern.
Und es mir sehr gerne erzählen, mit Briefen und Dokumenten hinterlegen und mit Humor von den Widerungen ihres so kargen Lebens wiedergeben. Hier habe ich noch etwas vor... und taste mich langsam vor. Denn ich bin schließlich ein Fremder in der Fremde und komme den alten Geschichtenerzählern sicherlich etwas... seltsam vor. Zunächst muß ich noch mehr von "ihrem" Land sehen und verstehen. Behutsam ihr Vertrauen gewinnen - erst dann werden ich "etwas" zum pinnen -oder auch nicht-, zumindest aber aufschreiben. Denn wo wird sonst wohl ihre Geschichte bleiben? Wenn schon Sohn oder Tochter nicht mehr "deutsch" lesen oder gar sprechen können und die Enkel kaum noch etwas von der Herkunft der Patzkes, Diepholz, Meier oder Schmitz wissen? Diese -u.v.a.m.- sind hier gebräuchliche Firmen und Familiennamen und beileibe keine Ausnahme im weiten Pampa-Land. Ein Segen, daß mich das Glück zu Don Oswaldo Degen, Sohn deutscher Einwanderer, führte und er mich zu den oft weit abseits liegenden Gehöften und Farmen und in seine, uns mit offenen Armen aufnehmenden "Clan der Degen"!
Diese weit im Gaucho-Land "verstreut" lebende Familie, ist für mich das Beispiel, was man -mit deutschstämmiger Ehefrau- alles -trotz Schicksals-Rückschläge verschiedenster Natur- mit Beharrlichkeit und Zielsetzung so erfolgreich umsetzen kann. Ein so fremdes Land (Kultur und Sprache) "erobern" und lieben kann.

Und dieses, seine Heimat hat Don Oswaldo nun bis zur Weihnachtszeit 2008 -spätestens Ostern 2009- nun gestern in Richtung "Alte Welt" verlassen. Gestern um 8:00 Uhr ging der Bus von Morro Redondo via Pelotas, dann mit dem Fernbus weiter von Pelotas zum Airport von Porto Alegre. Ca. 1.350 km -via Sao Paulo- bringt die TAM ihn per Flieger nach Frankfurt am Main, die DB dann an den Rhein bei Koblenz und dort in sein "verwaistes", kaltes Zuhause auf Zeit. Die enorme Reisezeit wird ihn erst gegen 17:00 Uhr -nach fast 24 Std.- ankommen lassen.
Wir hoffen gesund -aber sicherlich sehr müde- wird er alleine eine "Arbeitszeit" angehen, damit er mit dem in Deutschland schwer verdienten Geld sein(e) Vorhaben in der Pampa-Heimat dann bezahlen und - auch den Neubau der Casa Grande in seinem Heimatland beenden kann. Der nun 60-jährige Mann zeigt eine Willensstärke und umgeheuren Fleiss, und zahlt so einen "hohen Preis", sich und seiner Eveli und auch dem Degen-Clan, und seinen so lange gehegten Plan zu verwirklichen. Auch wenn es so mit der Zeitplanung so nicht ganz hinhaute. Den Monat hier, im Abseits der Pampa, war er es der -mit weniger Hilfe- unermöglich schuftete und baute.

Ihre Grande Fiesta haben unsere liebenswürdigen Gastgeber im Kreise ihrer Lieben und in vielköpfiger Zahl -mit uns- bis in den nächsten Morgen des folgenden Tages gefeiert. Mit vielen aus seinem -ihren- Clan war es ein berührendes Wiedersehen - und sich in den Armen liegend - nach >40< Jahren. Familie, Nachbarn und Freunde und wir, die "deitschen Leit" werden dieses großartige Fest wohl nicht vergessen. Längst nicht alles an Fleisch und Kuchen wurde aufgegessen oder gar die letzte der unzähligen Flaschen aller erdenklichen Getränke noch ausgetrunken.
Wir haben ja müde den Saal vorzeitig leicht wankend verlassen - zuviele der "süffigen Tassen" intus und oft geleert!

Eure olle Weinnase


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