Weinnase in Brasilien 2008

Seltsame Töne in der Pampa! oder: Aufregung am "Passo do Valdez"!!

Nov. 2008

Bom Dia!

Noch klangen die sanften Töne des "Samba Pa Ti" in den Garten des alten Farmhauses am Passo do Valdez nach. Im Schatten des mächtigen Zimtbaumes und üppigen Feigenbaumes haben wir etwas Kühle. Heute sinds zum frühen Mittag schon wieder +34°C im Schatten der Terrasse. Dies verspricht zur Abend- und Nachtzeit kühlende Atlantik-Winde, die auch öfter sich orkanartig an der nächtichen Abkühlung auf 21-24°C beteiligen. Chuva, der Regen, bleibt größtenteils in der jetzigen Sommerzeit aus. Es ist bereits um 7:00 Uhr heiß. Den ganzen Tag heiß, so daß ab 11-12:00 Uhr bis gegen 17:00 Uhr niemand hier im Pampa-Gebiet von Morro Redondo, des Ausläufern der Serra Gaucha arbeitet oder den Schatten seines Hauses oder Gartens verlässt. Staubfahnen zeigen an, wo ab und an ein Fahrzeit über die buckligen Sandpisten fährt.
Der Blick vom Morro Redondo, dem "Runden Berg" geht weit. Kilometerweit über die grünen Hügel mit Weiden und Wäldern sowie gelegentlichen Feldern. In der Sonnengleissen kleine Teiche, Seen und Tümpel, die von den mäandernden Flüssen und Bächen oder aus unterirdischen Quellen gespeist werden. Es ist ein wasserreiches Land, das Gaucho-Land hier. Unweit des Atlantiks bringt die Berg-/Hügellage die stetigen Winde mit Regenwolken. Dort wo die Berge in die pfannenbodenflachen Ebenen der weiten Pampa, der Grasebene übergehen, ists trockener als hier in der pitoresken Hügellandschaft.

Gilberto Gil, heute Kulturminister des Staates Brasilien "schmalzt" sein "Girl from Ipanema". Es ist der <Bossa-Nova>-Song der 60-iger Jahre des letzten Jahrhunderts und ein "Evergreen" von "Tom" Joabim aus Rio de Janeiro, brilliant vom Gitarristen Joao Gilberto gespielt. Die Jazz-Version mit Stan Getz und von Astrud Gilberto lasziv gesungen gehört seit über 40 Jahren zu meinen Favoriten und "Fernweh"-Songs, neben "Desafinado" (=Disharmonie), aus Brasilien.
Und hier, im süd-östlichen Teil des riesigen Staates, im Bundesland Rio Grande do Sul, unweit der Grenze zu Uruguay, nahe am Atlantik und der weltweit größten Süßwasser-Lagune, der "Lagoa dos Patos" (="Enten-Lagune") mit über 500 km Flächengröße, sitze ich nun mit einem Glas Cachaca, voll mit Eis, Pfirsichstücken und (gelbfleischigem) Limettensaft. Höre dieser Musik vom "Radio Pelotas", der Kreisstadt an der v.g. Lagune gesendet.
Ich bin in Brasilien, daß das Flair "Sonne, Strand und Meer" kaum wie ein anderes Land vertritt. Und es stimmt auf über 7.000 km abwechselnder Küstengebiete und "Traumstränden". Ich habe noch etwas Strand mehr. Den von der "Lagoa dos Patos": feinsandig, flach und im grünen Uferbereichen gelegen. Und... den wohl längsten Sandstrand bei Rio Grande, der historischen Hafenstadt an See UND Meer (Atlantik-Zufahrt von der Lagune). Über 267 km feinsandiger Dünen-Strand und fast menschenleer. Unglaublich, dies so zu sehen und stundenlang durch Dünen und breiten Sandstränden zu gehen, ohne einen Menschen zu sehen. Nur Sonne, brennend-heiße Sonne, Sand und vom steten Wind bewegtes, blaues Meer unter opalisierend blauem Himmel!

Neben der Musik kommt noch etwas aus dem alten Farmhaus von Don Oswaldo, der uns hier gastfrei aufgenommen hat, damit wir sein Land, Kultur und Familie (ein weitverzweigter "Clan der Degen") kennenlernen. Evtl. um sogar hier zu leben. Längere Zeit, ein paar Jahre oder gar den Rest unseres Lebens. Aus der Küche duftet es nach Schmor-Kürbis, der nach landestypischem Rezept von meiner Frau Brigitte zubereitet wird. Ein gar verführerischer Duft liegt in der flirrend-heißen Luft. Das Glas mit dem Zuckerrohr-Schnaps, dem Cachaca, und den Säften mit gestoßenem Eis ist beschlagen. Auch hier verströmen die gartenfrischen Früchte, in dem Drink verarbeitet, einen intensiven, genußversprechenden Duft.
Aus dem Baumschatten geht mein Blick über den blühenden Garten, den riesigen, duftenden Rosengebüschen etc. hügelaufwärts bis an den nahen Eukalyptus-Wald der Farm. Dort kreisen sie wieder und begeistern mich mit ihren Flugkünsten, flügelschlagfrei 10, 15 oder 20 u.m. Minuten über uns, dem Tal und den Weiden und Feldern zu schweben: Das Raubvogelpaar aus nahem Horst ist wieder akrobatisch am Himmel, der heute wolkenlos blau ist!

Zu meinem Füßen trollen tappsig und sich überkugelnd, "Chico" und "Chica". Unser Nachwuchs, ein Hundepärchen (Rüde und Hündin). Erst wenige Wochen alt und sehr verspielt. Ein niedliches, ein friedliches Bild eines späten Farmhaus-Vormittag. Hier im Garten am Passo do Valdez. Zum Essen werde ich unter der Weinreben-Pergola, nahe dem Bächlein, am Bambushain aufdecken. Dort ists noch etwas schattiger und angenehmer fürs pikante bras. Mittagessen: Abobora com Arroz. Ein einfaches "Prato feito" (=Tellergericht) mit knackig-frischem Salat, der 5 Schritte neben mir wächst. So wie wir fast alles an Obst und Gemüse hier selber anbauen.
Vor 4 Wochen hat Brigitte -Premiere- ihren ersten Maniok ausgebracht. Don Oswaldo mit seinem "Braunen" und Pflug, meine Frau dahinter in die gepflügte Furche die Maniok-Setzlinge (=Stücke) ausbringend. Eine mühevolle "Pferd-/Handarbeit" auf einem der Äcker hinterm Eukalyptuswald. Dort wo bald die "Casa Grande", Don Oswaldos Stolz als Bauherr bezugsfertig ist und auf dem Hügel, höher zum Dorf Morro Redondo hin, beachtenswertgroß, erbaut ist. Nur der Ausbau und Außenarbeiten nehmen noch bis Sommer 2009 einige Zeit in Anspruch. Denn z.Zt. ruht jede Bautätigkeit. Alle Arbeitskräfte sind bei der Pfirsich-Ernte bis Febr. (2009) voll beschäftig. Es ist saisonale Vollbeschäftigung hier im Farmland. Erst nach Saisonende gehts wieder an die Wände den neuen, großen Haus auf dem Hügel. Mit Stallungen und Scheune etc., ist dies ein für diese arme Gegend schon großes und beachtenswertes Haus und bäuerliches Anwesen, hier im hügeligen Gaucho-Land Brasiliens!

Hier auf der Farm von Don Oswaldo herrscht eine Ruhe und Friedlichkeit. Die Schweine sind glücklich, weil sie genug von unsern Küchen- und Speiseresten zu fressen bekommen. Das braune Pferd grast und vollführt übermütige Kapriolen. Die Hunde tollen und spielen jagen und Fliegen fangen. Die Vögel im Garten geben ihr fröhliches Konzert. Und die Kühe ziehen ruhig über die hügelige Weide. Bis auf eine, eine kleine braune Vaca, die sich über das Bächlein in den Bauerngarten, ins "Kuh-Paradies" einschlich und an den Blumen, Kräutern, frischgesetzten Bohnen und duftenden Rosen und dem satt-grünen Salat und Kohl sehr viel Freude und Genuß gefunden hatte.
Mit dem entsetzten Alarmruf meiner Frau: "eine Kuh ist im Garten", wars aus mit der beschaulichen Ruhe im Garten! Nun ist das kein kleiner Garten sondern ein auf 2 1/2 ha angelegtes Ackerstück mit Wildwiese und Blumen sowie genüssliches Gemüse und Obst für die Selbstversorgung. Aber nicht für die Kühe der Farm. Die sind eigentlich durch Zäune und den ca. 2 m tiefliegenden Bach vom Garten ausgesperrt: Zutritt für Kühe ist hier verwehrt!
Nur die kleine braune Kuh war so schlau, sich -allen hier unbegreiflich- durchs tiefe, steile Bachbett ins Gartenparadies einzuschleichen und ließ sich auch nicht mit Zu- und Lockrufen daraus vertreiben. Zu gut schmeckten ihr Rosen, Salat und Kohl. Sie fühlte sich sichtlich und stur recht wohl.

Ich war, nach getaner Gartenpflege und -Hege grade unter der Brause, als der Alarm im Garten mich in die Unterhose ruschen ließ und ich, laut schreiend und mit einem Besen das "Untier" zurück auf die angrenzende Weide, durchs Gatter treiben wollte. Nun ist der Garten nicht eben und flach. Unser "Garten Eden" ist in der Pampa gelegen und 2 1/2 ha sind groß, wenn man mit Besen und in Unterhos' übers Gelände, den Besen kampfbereit wie ein Torrero, 'ne blöde Kuh vertreiben muß.
Und die ließ sich dies nicht gefallen. Fand sie doch zu viel Gefallen an den herrlichen Salatgenüssen. Meine Frau war indessen, wie von Furien besessen, die Piste runter zum Nachbarn Elio gelaufen, um Hilfe zu holen. Denn als Kuhfänger hatten wir nun bislang keine Erfahrung. Und gehörigen Respekt von den langen, spitzen Hörnern der braunen Freß- und Trab-Maschine auf vier flinken Hufen. Es half mir kein Schreien, rufen oder fluchen, sie trabte kreuz -und fraß dabei den Kohl- und quer - und machte sich dabei über den Salat schnell noch her.
Und nur in der Unterhos' und auf Sandalen war ich, trotz des "Kampfesmutes" und mit Besen, nicht in der Lage gewesen, die Kuh aus dem lädierten Farm-Gartenparadies zu vertreiben. Erst als nach so knapp einer halben Stunde mir Nachbar Elio bei dem Rodeo half, hatte die Vertreibung der Kuh Erfolg und ich war völlig eschöpft von dem Treiben und Jagen und wurde von meiner Frau, an Beinen und Armen blutend, verbunden und als Held bewundert, der die hier halbwild lebende Kuh, wie ein Gaucho, in Schach gehalten und vertrieben, ihren sprunghaften Angriffen getrotzt und die sengende Sonne an dem heutigen Morgen -nur in der Unterhose- ertragen hat.

Natürlich machte mein Gaucho-Einsatz hier am Passo do Valdez bald die Runde und mir schien, daß dies die Ursache fürs Gelächter war, als ich im Mini-Mini-Market "Casa Verde" zum Einkauf, sichtlich blessiert, erschien. So wie ich in der Früh "auftrat" machten halt die Gauchos hier keinen Staat. Evtl. hat das die Kuh auch -erstaunt- gemerkt, daß ein dickbäuchiger, alternder Europäer halt kein "Kuhjäger" ist.
Ich -wir- sind aber froh, daß wir den Stolz unserer gastgebenden Farmersfrau Eveli vor folgenschwererer Verwüstung gerettet haben. Die Kuh hat sich an Kohl und Rosen gelabt und ich werde gleich zum Mittagstisch von meiner stolzen Hilfs-Farmerin verwöhnt. Es herrscht wieder Friede im Tal. Die Ruhe und Gemütlichkeit ist wieder bei uns im Farm-Garten eingekehrt.

Nur... wer ganz genau hinhört, hört den Wind eine sehr sonderbare Geschichte über einen halbnackten Mann, mit langen grauem Bart, und 'ner gefräßigen Kuh und die Unruh in der Pampa erzählen. Und noch ein selten-seltsames Geräusch ist vom Schattenplatz unterm Zimtbaum zu hören: Es ist mein leises stöhnen und maulen "Ich wollte NIE Cowboy, sondern immer nur Indianer sein"!
So hat dann der Wind der Pampa eine neue Geschichte und ich genieße gleich ein typisches Gaucho-Gericht!

CpS


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