Weinnasen Pilgerreise 2004

Geduld lernt man mit der Zeit, die einem übrig bleibt!


27.10.2004

Zwischenbericht einer pilgernden Weinnase!

Blue Note, N.Y.! Von seinem USA-Trip schickte mir Dominik Ziller 'ne Postkarte mit dieser "Adresse". Feinster Jazz wird unter diesem Label vermarktet.
Vor meinem Pilger-Tripp hörte ich mir in der letzten Nacht zu Hause noch von "Duke" Ellington am Piano, mit Charlie Mingus und Max Roach, alte Aufnahmen von 1962 (!) an: "Fleurette Africane", "Solitude" und "Monkey Jungle" etc.!

Was wünschte ich mir noch mehr als heute Abend wieder so richtig guten Jazz zu hören, einen *R*iesling aus Piesport vom Haart, aus der Lage "Piesporter Domherr", oder "Goldtröpfchen", die mit ihrer Feinstofflichkeit und kühlen Eleganz mit prägenden mineralischen Noten zu genießen und mich   e n t s p a n n e n !
Der bescheidene Winzer Reinhold Haart ist, ebenso wie ich, ein Gegner des "Jung-Suff's", d.h. dem allzu frühen Genuß der Weine. Seinen Kollektionen will er mehr Reife in seinem Keller geben; Zeit zur "saftigen" Entwicklung seiner Edelsten! Nur zu!!
Ich kann ja -noch- warten. Hab' schließlich die Geduld in meinem Leben lernen müssen. Und schätzen gelernt!!!

Nur... so allzulange darf man(n) meine Geduld nitt auf die Probe stellen, mich... herausfordern. Wie's meine labile Gesundheit und der Herr Doktor so von mir in den letzen Tagen erwarten... "sie müssen sich mit der Gesundung in ihrem Alter und bei der Immunschwäche unbedingt >Zeit< lassen", war der heutige Spruch des Tages!   Z E I T !
Und die hab' ich in meinem Alter, aufgrund meiner so beschissenen "Gesundheit"; nun leider nitt mehr so unbegrenzt.
Die Zeit ist kostbar geworden. Kaum noch vorhanden. Selten. Rar... "wie wirklich guter, reifer Wein. "Trink ihn heute, denn morgen, lieber Freund, wird's u.U. nur teuer gekaufte Plörre sein"! So sagte mir mal vor Jahren einer meiner -verstorbenen- "tres vieux amis du vin".
Genauso wenig, wie der Trinkzeitpunkt genau zu fixieren ist, weiß ich nicht, wirklich nicht, wie viel Zeit mir noch hier auf dieser WeinWelt bliebt. Ich meine, nein ich fühle nur, sehr lange ist's >so< nicht mehr! Dann bin ich hin, genauso, wie zu lange gelagerter "Reifer Wein": Von einem Tag auf den anderen.
Und dabei wollte ich noch so viel "erledigen", erleben, sehen, kennen und lieben lernen, begreifen und genießen und, und, und... noch etwas auf dieser -noch- zu herrlichen WeinWelt, als pilgernde olle Weinnase, bleiben.

Angst ist's nicht..., irgendwie nur ein Bedauern, nicht >mehr< erleben und genießen können. Dabei habe ich doch sehr viel von meinem exzessiven Leben "geschenkt" bekommen. Weit mehr als die meisten meiner sog. Altersgenossen. Eigentlich fühl' ich mich noch viiiel zu jung und..., ach watt: "Watt kütt, datt kütt", sacht dä Rheinländer! Warum also was so "krank" -krampfhaft- festhalten zu wollen?
Ich genieß doch jeden Tag wie meinen letzten. Warum also diese "unbestimmte" Angst, nicht mehr genug Zeit zu haben? Denn dieses Gefühl ist so quälend und genußwidriger" Blödsinn. Dies ist halt der Blues meines Leben; mit sehr starkem Bezug zum Jazz. Expressiv. Intensiv! So wie's grade in meiner Erinnerung klingt: >Sometimes I feel like a motherless child< gibt Chico Freeman seinen besonderen Stil mit Jazz zum Ausdruck eines mir ebenso eigenen Lebensgefühls. >Thanks for the... Memory< gibt Lee Konitz seinen Jazz danach zum Besten! Muß aus der Mitte der 60-iger sein!
Als dann die ersten Töne von David Liebman >Out of Nowhere< bin ich wieder "lebendig"!

So war's immer! So wird's noch bleiben! WEnn ich nächstes Jahr von meiner Pilgerreise retour bin, werd' ich mir einen Jazz-Tag "fei" machen, mir vom Werner Elflein einen besonders "saftigen" *R*iesling empfehlen lassen und mir diese Zeit des Genusses "stehlen"!
Denn, wie schon gesagt, ich will noch viiieel "erledigen", erleben, sehen, begreifen, lernen... vor allen Dingen Geduld mit mir und der restlichen mir noch verbleibenden Zeit auf dieser herrlichen, weiten, "bunten" WeinWelt! Denn Geduld verlängert, bekanntlich, den Genuß!
Und dies weiß ich doch längst! Warum also die Sorge, nicht genügend Zeit gehabt zu haben? Nicht genug genossen zu haben?

GEDULD hat auf dieser Reise -Pilgerreise- eine ganz neue Dimension bekommen. Geduld hat mich gefordert. Hat mir die Zeit abgefordert, die ich mir sonst nie genommen hatte: 3 Monate -allein- auf Pilgerreise. Dies kommt der "Ewigkeit" nahe. Die Zeit, die ich mir auf dieser Pilgerreise nahm. Und bei all' dieser Zeit kam ich auch mir -wieder- nahe! Will ich dieses so seltsame Gefühl nicht wieder verlieren? Macht mir der baldige "Verlust" schon jetzt Angst?
Wenn die Zeit gekommen ist, zurückzugehen. Entweder von Santiago de Compostela oder von sonstwo; wenn's mit der Zeit bei mit nitt mehr >so< weitergeht wie bisher.

Geduld war noch nie eine meiner großen Stärken, aber auch nitt grad "Schwächem". Als ich -früher- mal meinte, noch genügend Zeit für alles mögliche wie unmögliche, unsinnige und verrückte zu haben, war ich doch noch ungeduldiger mit mir und meinen Nächsten! Mit der Zeit aber änderte sich dies, meine ich,

die olle Weinnase auf Pilgerreise
-bald wieder: on the road again-"!
Habt doch bitte Geduld mit mir ollem Sack!


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