Weinnasen Pilgerreise 2004

Stehen und Bleiben!

- Nur nicht vergessen -


16.11.2004

Zwischenbericht einer pilgernden Weinnase!

So fremd kam mir Düsseldorf, die Stadt die mir heimatliches Asyl bietet, bei der Ankunft vor. Fremd, kalt und gau. Graue Menschen unter grauem Himmel in einer grauen(-haften) Zeit.
Mein Weg führte mich zu meiner Alten Dame, die arg nervös auf -wieder mal- einen OP-Termin am 25.11.04 wartet. Ungeduldig, nervös und verunsichert: Alleingelassen!
Der Kurze Besuch,bei all' meiner Müdigkeit in der maladen Situation, war für meine Mutter eine "warme Hand in kalter Zeit". eine sichtbar wohltuende Hilfe.

Nach Kaffee, Gesprächen und Rückrufen, telef. Nachfragen und Gespräch mit dem täglichen Besuch des "Häuslichen Pflegedienstes" bin ich dann -hundemüde- zu meinem einzigartigen >ZAUBERGARTEN<, an den süd-östlichen Rand der Innenstadt -vollgepackt- getippelt, d.h. mit Bus und Bahn angefahren. Nicht "einen Meter" konnte ich nach dem Besuch, nebst frischen Brötchen und warmen Kaffee, bei meiner Mutter mehr gehen.
Aber ohne nach meinem "Zaubergarten" im Großen Park zu sehen, näääh so konnte datt nitt gehen. Musste erstmal nach dem Rechten sehen. Die Wegstrecke zum Tor des "Zaubergarten" kann ich variieren. Warum ich aber wieder den Weg, an der alten Streuobstwiese, des kl. Gutes, einem ehem. Bauerngehöft genommen habe... ich weiß es nicht!?

Denn an der Weggabelung des Trampelpfades zum Weg des nahegeliegenen Sportvereines/Sportplatzes im Park, ist die Stelle, an der ich immer stehen bleibe. Ich muß es halt immer. Auch wenn ich kaum Zeit habe, eigentlich diese besondere Stelle zum "Besuch" mir gar nitt vorgenommen hatte, zu müde, zu beschäftigt, zu lustlos, zu "erinnerungslos", zu... gleichgültig geworden bin.
Was dies denn für "eine Stelle" ist, sollt' ihr schon von mir zu hören bekommen und evtl. -wie ich vor ca. 15 Jahren- ganz erschrocken sein, solltet ihr Düsseldorfer sein:

### HIER STAND EIN > KZ < ###
ein sog. "Außenlager", in dessen Baracken rund 1/5 der Zwangsbewohner viechisch getötet wurden
KONZENTRATIONSLAGER

Und dies hier in diesem friedlichen, ruhespendenden Park von besonderer, natürlicher Schönheit. Mitten in Düsseldorf. Neben dem schon damals frequentierten Tanzlokal "HAUS KOLVENBACH". Dort wo man(n) sich unter großen, schattenspendendem Kastanien in warmen Sommern - auch in der Kriegszeit, wie mir alte Oberbilker (nahes Arbeiter-/Stahl- und Röhren-Industrie/Viertel) glaubhaft versicherten, trafen, aber... von einem Todeslager der *SS* haben sie >nix< gewusst. Ist's die spätgefundene "Wahrheit" oder doch bloß nur die typisch deutsche Lebenslüge?

Lange Jahre bin ich diesen Weg -oft- gegangen. Hab' dort am Wegesrand einen überwucherten Stein/Fels/Mauerrest -nix besonderes- gesehen. Bis vor so ca. 15 Jahren im November es dann geschah: der Winter hatte das Gras und Grünlaub, das Efeu und Unkraut-Geranke kurz und "durchsichtig" gehalten. Ich konnte eine ca. DIN A 3-große Tafel mit Schriftzeichen unter dem Gestrüpp/Gerümpel und Dreck erkennen. Und... blieb stehen!
Irgendwas "hielt mich fest": Ließ mich s.Zt. stehen und bleiben. Niederknien: und nachsehend, was geschrieben stand!

Es muß ein unsägliches Leiden in diesem Lager gewesen sein, von entmenschlichten deutschen Wachmännern, mit dem silbernen Totenkopf auf schwarzen Militär-Mützen, sadistisch -täglich auf's Neue- erbracht. Mit Vorsatz und in der Begier, sich damit bei anderen Kameraden zu profilieren. Nach dem Töten und demütigen von wehrlosen, unschuldigen Nazi-Opfern zu gieren.
Jederzeit konnte der "bellende" Befehlsschrei "STEHENBLEIBEN" das letzte Wort eines der beklagenswerten Gefangenen sein, die er je zu hören bekam. Wer diesem "Gebelle" nicht unmittelbar und "formvollendet" nachkam, wurde zu Tode gequält, von Hunden zerfetzt oder "nur" erschossen!

Über das sog. "Lagerleben" wüsste ich schon einiges mehr an "alltäglicher" Realität zu berichten. So aus "alten Geschichten", was >damals< in den Arbeitslagern des Herrn Albert Speer, unter SS-Verwaltung des Herrn Himmler, mit Wunsch des "Gröfaz" (Größter Feldherr aller Zeiten"!) -Herrn Hitler- bis Mai 1945 -mitten unter uns in Düsseldorf so geschah- und jeder sehen/wissen konnte.
Diese "Geschichten" wurden mir von einem Verstorbenen -einst sehr verehrten- meiner Verwandten sachkundig verbürgt als leidvolle Wahrheit über die Deutschen. Über KZ's, über Folter und Tod in unsäglichem Grauen erzählt.
Und ein solches "Lager des Todes" nun hier. So unmittelbar nah. Nur ein paar Fuß-Minuten von meinem "Zaubergarten" -meinem "Refugium an Ruhe und Spiritualität"- entfernt.
Dies hatte mich seinerzeit und danach stets zu jeder Zeit berührt, wenn ich an dem -oft zugewachsenen- Schild/Plakette stehen blieb.

Vielen Besuchern habe ich -sie waren unwissende Nach-Kriegsgeburten- dieses Schild, diesen Ort gezeigt und erklärt, als ich die überraschten/erschrockenen Gesichter sah, was DAMALS so nach meinem Wissen geschah und weshalb ich niemals zum BARRAS/Militär gegangen, auf die Straße gegangen (wenn's um FRIEDEN ging), demonstrieren und "agieren" gegangen bin.
Und... warum ich vor einiger Zeit NICHT einfach weitergegangen und geeilt war. Den Stein gereinigt und den Wildwuchs zurückgerissen und die Plakette mit meinem Taschentuch gereinigt hatte.
Und... warum ich oft noch hierher käme, wo doch >so< weder ein Priester, Rabbiner oder ein Herr Bedrissenheitsträger (Politiker) je gewesen wäre. Würde ich den Düsseldorfer Herrn Judenrat's-Vorsitzenden SPIEGEL mal befragen, er wüsste mir von diesem Ort der Plakette (und der Verwilderung) bestimmt nix sagen können.
Ist halt scheint's -wie so vieles hier in Düsseldorf- aus der Nazi-Zeit vergessen worden. Wo's "Schlageter-Denkmal" aber ist, weiß jeder "äschte" Düsseldorfer Jong"!

Aber nun, watt soll's... ich bin der "Pate" eines Düsseldorfer KZ's geworden. Auch ohne Orden. Kümmere mich 'n bisken um's "Ansehen" des Ortes und erzähl' auch oft davon. Damit's nitt so ganz vergessen wird, wie's mal so war.

Eure olle Weinnase,
die auch stehen und bleiben kann, und dennoch
"on the road" sein kann!

NS: Erst mal werde ich nun hier in Düdo bleiben, mich ausruhen und -dringend genug- auskurieren und mich "bewundern" -als "Heimkehrer"- lassen:
Von der Pilgerreise zurück!


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