Weinnase: Geschichten aus Tunesien 2007-2008

18. Brief aus Afrika: Eine tunesische Krankheit (rheinischen Ausmaßes): "Fermer la Porte, s.v.p."!

22.01.2008

Hätte ichs nicht gekonnt, dieses Sätzchen, diese Bitte, diese Aufforderung, ich hätts -neben "merci"- flux gelernt. Hier in der POLYCLINIQUE des Dorfes im Maghreb. Und den Zusatz... <s.v.p.> =Sil vous plaît = "BITTE DIE TÜRE SCHLIESSEN"!

Unbedingt notwendige "Redewendung" =Bitte, die man in einem tunesischen Krankenhaus schleunigst beherrschen muß, wenn man fiebernd, an rechtsseitiger Lungenentzündung erkrankt, und in einem "luftigen" tun. Krankenzimmer schlapp und japsend, keuchend liegt! Im "Zug" liegt und friert, wie ein maghrebinischer Schneider!
Meine ersten Kontakte in dieser islamischen Welt des nordafrikanischen Landes Tunesien, zu der sonst so abgeschotteten, versteckten Weiblichkeit begann nicht mit den Worten... "comment vous applez-vous?" (1*), sondern mit der v.g. Aufforderung/Bitte "fermer la porte, s.v.p.!"! Oder mal ein keckes "comment allez-vous" (2*)! Nein, an die wohl hundertmal brabbelte, stammelte, keuchte oder hauchte ich das vergebliche Sätzchen... "fermer la porte, s.v.p." am Vormittag, am Nachmittag und der gegen 19:30 Uhr eintreffenden Nachtschicht der ungeheuer regen Schwesternschaft der Klinik am Dorfesrand und Meeresstrand meiner "Strandoase" zu!
Stets und wie immer - VERGEBLICH!

Leider beherrsche ich kein (nur ein paar Worte) tunesisches arabisch. Und vor allem nicht das "Zaubersätzchen". Obwohl... >BAB< das Wort für Tor ist. Grimmassen, hektische Handbewegungen, mit traurigem Unterton in deutsch, französisch, englisch und sogar türkisch und spanisch sowie italienisch, hab ichs -vergeblich- versucht. Die Tür zu meinem "Raum des Leidens" blieb und blieb stets und immer auf. Nicht gerade förderlich für meinen "Gesundungsverlauf" bei akuter Lungenentzündung!
Auch wenn ichs mehr als lieb "flötete", diese Bitte, diese Aufforderung, diesen verzweifelten Aufruf aus dem zugigen Krankenraum... die Türe blieb unbarmherzig auf. Und es zog schrecklich, ich hustete ständig und fror fortwährend im Durchzug. Keuchte und prustete und vermutete, daß die fleißigen Damen, im blau-weißen Dress, meine Bitte einfach nur falsch verstanden oder mir -ewig lächelnd- eine große Freude =>viel "frische" Luft<= bieten wollten.

Um die Türe, für einige Minuten der Intimität oder "zugfreies" Überleben im Krankenzimmer in Tunesien, geschlossen zu bekommen, mußte ich frierend und schwankend und wankend, aus dem Krankenbett mit den Plastik-Matratzen-Teilen rauseilen, mich in Schläuchen verheddernd und flux handelnd die Türe mit dem linken Fuß "zuschießen". Weiter reichten die Schläuche und Verkabelungen nicht von den Geräten am Krankenbett bis zur offenen Türe.
So hielten mich Schläuche und "Schnüre" fest, aber die Türe nicht länger als 15 Min. geschlossen. Dann kamen sie, die Netten und Kecken wieder im Duo/Trio "reingeschossen" und ich wurd' wieder flux an die Geräte angeschlossen, deren Verbindungen ich habe, mein meinem Rettungsakt "TÜRE ZU", scheints wieder rausgerissen!

Was soll ich sagen? Ich tats immer weiter wagen... "Türe zu" in allen mir bekannten Sprachen zu sagen. Sie, die tunesische Frauenschaft des Klinikums, ließ bis zur Entlassung meiner frierenden Person, die Türe ständig offen. Und ich tat dennoch hoffen, daß ich nach meiner Entlassung gesunden würde. Weil es dann offene Tür(en) in meiner "Strandoase" nicht gegen meinen Willen geben würde. Denn hier hatte ich als Hotel-Gast, in der Oase am Mittelmeerstrand, rechtzeitig mir den ZIMMERSCHLÜSSEL vom Portier an der Rezeption geben lassen.
Und so war ich, wenigstens hier, Herr meiner Zimmertüre, lebe hier in Ruhe, mit Meeresblick in der Oase, ohne mich in Schnüre und Schläuche zu verheddern oder über offene (Krankenzimmer-)Türen zu ärgern, die hier, so scheints mir, "Landesbräuche" bei den Damen in Tunesien sind: dem leidenden Patienten linde, kühle Winde an den fiebernden Körper und "schlechte" Luft aus dem stickigen Raum zu lassen! Nein, dafür kann ich nicht hassen; nur fürs ständige "Tür auf" lassen!
Und so habe ich im tunesischen Klinikum die Sprache(n) wieder gelernt, bin flux und schnell wieder "auf die Füße gekommen" und habe so einige (sehr süße) Krankenschwestern (einige so im Kopftuch-Putz) kennengelernt und mit ihnen französich, englisch und deutsch gelernt. Zunächst nur die Bitte: >>> TÜRE ZU !!! <<<.
Und dann gibts bei/mir mir auch heiter weiter, mit... "ana la afhamduha" oder - mehr (3*) verrat nicht. Denn hier, wo unweit der berühmte Film "Der englische Patient" gedreht wurde, war ich der >deutsche Patient< und einzige deutsche Mann mit langem Bart und grauhaarigem Zopf.
Und um den drehte es sich: das Interesse der tuneischen Schwesternschaft in recht modischer "Tracht", mit bunten Kopftüchern und zierlich zu nennenden "Figürchen". Die modern ausgestattete Clinique, die bemühte Ärzteschaft und sehr persönlich-intensive Behandlungen schafften es -neben meiner Konstitution-, daß ich nun aus dem "Maison del Bab" (frei übersetzt: "großes Haus der Tore (Türen)") einigermaßen kuriert und medizinisch zu verantworten, mit abklingender Lungenentzündung, zwar noch sehr "deif" und "bchil" und "wujia" verlassen konnte.
Die Erinnerung an "mein" Mustashfa am Rande unseres Dorfes werde ich wohl noch lange und positiv haben. Schließlich ists ein afrikan. Erlebnis und kontaktfördernd gewesen!

CpS

(1*): Wie ist ihr(dein Name, bitte?
(2*): Wie gehts Ihnen?
(3*): Ich verstehe sie nicht!

NS: Bab = Türe(n), bibán/deif = schwach


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