Weinnase: Geschichten aus Tunesien 2007-2008

20. Brief aus Afrika: Es könnte punischer Wein gewesen sein!

25.01.2008

Tach aber auch!

Der Name dieser sehr wohlhabenden Stadt auf CAP BON, Tunesien, ging im Laufe der Geschichte verloren.
Es war zu Karthago, Clypéa-Apsis (=Kelibia, die "Weinstadt") und Neapolis (Nabeul, dem heutigen Verwaltungssitz auf Cap Bon) eine wohl kleine, aber "feine" Stadt am Mittelmeer. Zur Landseite, der Hochebene, durch eine so wehrhafte, halbrunde Doppelmauer, und zur Meeresseite durch den schroffen Felsabgrund (Steilküste) geschützt.
Prachtvolle Bauten, Alleen und begrünte, lauschige Plätze sowie perfekte sanitäre Einrichtungen (Bäder, Abwasser- und Frischwasser -Zisternen- Systeme) und kunstvoll ausgestattete Wohn- und Empfangsräume -oecus- auf ca. 200 m2 Grundfläche, sowie ein sehr geordnetes Stadtbild, mit Märkten, Handwerks-Vierteln auf ca. 8 ha. So präsentierte sich KERKOUANE -Dar es Safi- zu seiner Zeit im VI. und V. Jhdrt. VOR Christi.
Bis, ja bis der Tyrann von Syracuse (Sizilien) die fruchtbare Halbinsel vor Tunis/Karthago, Ende des IV. Jhdrt. v. Chr. überrannte, aber nicht dauerhaft einnehmen/besetzen konnte. Dafür waren aber die Zerstörungen auf Befehl des AGATHOKLES sehr massiv und Anlaß für weitere Boll- und Schutzwerke sowie einer zweiten -unbezwingbar erscheinenden- Umwallungsmauer mit Schutztürmen. Aber auch dieses nutzte der "namenlosen" punischen Kleinstadt nichts. Schützte nichts.

Durch die sinnlose "Zerstörungswut" des römischen Heeres, unter REGULUS -Mitte des II. Jhdrt. n. Chr.-, wurde diese einst so blühende Klein- und Handelsstadt nicht mehr dauerhaft besiedelt. Aus arch. Sicht ist sie daher ein Juwel einer unver- und überbauten Stadt "rein" punischer Bau- und Siedlungskunst: Das "Pompeji" Afrikas!
So kann man die "verlorene Pracht" der Groß- und Hafenstadt Karthago, mit 6-stöckigen Mehr-Familien-Wohnhäuser, Tempelanlagen und Märkten etc. sowie gewaltigen Nekropolen, nachvollziehen am Beispiel dieser Handwerker- und Marktstadt; in der auch das so begehrte PURPUR der Murex-Meeresschnecke und nicht minder begehrte GARUM - eine Würz-/Fischsoße für die (römischen) "Lafer- und Biolekianer" ihrer Zeit.
Hier, wo die einst aus der "libanesischen" Heimat TYROS geflüchteten Phönizier für ca. 300 Jahre als Punier siedelten, ist die hufeisenförmige Kleinstadt ein sehr "lebendiger" Beweis für die Schaffenskraft und enormen, "modernen" Landwirtschafts-Systeme sowie ausdrucksstarker (Kunst-)Handwerksarbeiten (Glas!) und "Handelsgüter", als Keramiken, Statuetten (Bronze!) aus aller damalig bekannten Welt (Griechenland, Etruskien, Spanien, Afrika etc.) zu finden und im BARDO-Museum von Tunis zu bewundern (4. Jhdrt. VOR Christi).

Wohnen tut hier, ca. 10/12 km von KELIBIA entfernt, heute keiner mehr. Außer ein paar Schafhirten mit ihren Herden, noch selten Touristen, sieht man dort kaum einen Nachfahren der Punier =Tunesier!
Diese schöne "Namenlose" der Antike ist heute UNESCO-Weltkulturerbe und via NABEUL, von Tunis, mit einem öffentlichen Bus -bis KELIBIA, dann weiter per Taxi die letzten 10-12 km erreichbar. Eine Reise ins punische Tunesien, ca. nur so 90 km von der Medina von Tunis auf der Halbinsel Cap Bon entfernt, aber fast 3.000 -Jahre- weit in der Geschichte weg!

Einen weiten Weg, haben diese "weltweiten" Seefahrer und -Händler in ihrer Geschichte -von TYROS (im Libanon)- bis nach Nord-Afrika/Tunesien zurückgelegt (XII.-VIII. Jhdrt. vor Christi), bis sie, die Phönizier, an allen Küsten der Mittelmeerländer Handelsniederlassungen ("Kontore") gründeten, die z.T. dann zu bewunderten Siedlungen wurden. Im Auftrage der sie bezahlenden Pharaonen und persischen Herrscher umschifften sie -auf der Suche nach Handelswaren und mögl. Niederlassungen- ganz Afrika. Angeblich kamen sie auch, mit ihren hochseetüchtigen Handels-Kriesgsschiffen, bis nach Ceylon und Indien. Ihr eigentliches "Handelsgebiet" war aber -in Konkurrenz zu den Griechen und Römern- das Mittelmeer und seine Inseln. Bis an den Mündungsraum des Flusses Senegal in Westafrika und -bewiesen- am Mündungsdelta des Niger errichteten sie ihre befestigen "Kontoreien".
Über ein Jahrtausend waren es ihre (genormter, manufaktierter Schiffsbau) modernsten nautischen Kenntnisse und besondere handwerkliche "Künste" sicherten den Phöniziern ihren sagenhaften Reichtum bis ins Jahr 509 v. Chr. (348 u. 306 v. Chr.). Die Glasfabrikation und enorme Kenntnisse im Hüttenwesen, der Metallurgie und das begehrte Purpur -die "Herrscher-Farbe"- schufen weiteren Reichtum.
Besonders waren aber ihre "wertvollen" Erfolge in der Landwirtschaft und Viehzucht; auf wissenschaftliche Erkenntnisse und Forschungen begründet. Aus diesem Reichtum konnte sich, später, Karthago "bedienen" und das militärisch-demokratisch gelenkte "Großreich" der Punier begründen und ausbauen; ein best-ausgerüstetes Söldnerheer und neuartige Waffentechnik sowie ausgefeilte milit. Taktiken schützten den begehrlichen Erfolg. Ganz besonders erfolgreich waren diese Krieger-Händler aber in der modernen Landwirtschaft seit dem V. Jhdrt. vor Christi!

Leider sind durch den von "römischen Besatzern" angestifteten Brand und Zerstörung von Karthago vernichteten Bibliotheken, die Werke des >GROSSEN AGRONOMEN MAGO< (146 v. Chr.) -in 28 Bänden- ausgenommen (und geraubt sowie nach Rom verbracht) nicht mehr als "Wissensschatz" vorhanden!
Der römische Senat ließsie , die enorme Bedeutung der Werke MAGO's kennend, ins lateinische übersetzen; später wurden sie auch ins griechische übersetzt/übertragen. Das punische Original-Werk des Agronomen und diese Übersetzungen gingen in den wirren Zeiten der Antike -leider- verloren. Die noch in Zitatform erhaltenen Anweisungen des "Großen Mago" sind in den Werken des Römers, und Bewunderers dieser wissenschaftlichen "Bibel der Landwirtschaft"   C O L U M E L L E , erhalten.
Er, selber Agronom, bezeichnete Mago -zu Recht- als "Vater der (modernen) Landwissenschaften". Also auch der Obstbaum-Kulturen und des sehr erfolgreichen WEINANBAUs. Überall wo sich Phönizier s.Zt. niederließen -auch auf den Balearen/Spanien (Ibiza)- bauten sie auch ihren "afrikanischen" Wein an! Neben Mandel-, Feigen- und Olivenbäumen und effektiver Nutzung/Verwertung der Früchte und Produkte, kamen auch Viehzucht und "moderne" -Haltung/Nutzung als "Erfolgsschlager" hinzu!
Genormte "Einweg-Packungen" aus den Töpfereien Kanaans =>Ton-Amphoren<= und Lager- sowie Transportsysteme (=Schiffe) ließen punische Waren und Weine "weltweit" bekannt und begehrt werden. All dies ist dem Verdienst des "Großen Mago" und seiner großartigen agronomischen -wissenschaftlichen Forschungen und Erkenntnissen zuzuschreiben!
Seine (punische) Grundlagenforschung ermöglichten es den Römern und Griechen -später- selber und erfolgreich Wein etc. anzubauen, auszubauen, uu lagern und zu vertreiben!

Für mich sind die Phönizier die eigentlichen "modernen" Weinanbauer/Winzer und Weinhändler der Antike; deren wissenschaftl. Grundsätze bis in die heutige Zeit "nachwirken" und für uns "genießbare Geschichte" des Weines darstellen. Aus den Weiten Mesopotamiens, von den Berghängen des Kaukasus ("schwarzes Meer"), von den fruchtbare Tälern des Taurus und den dortigen, seit Ur-Zeiten siedelnden Völkern brachten SIE die Weinreben ins "moderne Leben" und zu ihrem wirtschaftlichen Segen mit. Verbesserten die Rebqualitäten, schufen Varietäten und Neuzüchtungen sowie ein hyg.-techn. Kellerei- und Lager- sowie Vertriebs-/Handels-System im ges. Mittelmeer-Raum und Afrika (Maghreb).
Damit begündeten SIE schlußendlich den "Siegszug" des "modernen" und genießbaren Weines; via den Römern und Griechen so auch ins ferne, nördlich-westliche Europa.
Mich würd's als "olle Weinnase" nicht sonderlich verwundern, wenn wir -eigentlich- öfter "punischen" Wein genießen, als uns bekannt ist. Mal sehen, was weitere Ausgrabungen und wissenschaftl. Funde in Tunesien "uns Weinfreaks" an Erleuchtung geben werden: dem "Großen Mago" sei Dank!

Heute noch gibts, bei der Ortschaft MORNAG auf Cap Bon, ca. 30/40 km vor Tunis -von Hammemet kommend- großflächigen Weinanbau. Ob hier der "punische", der für mich "beste" (Rot-)Wein Tunesiens wächst, ich weiß es -noch- nicht. Wohl aber, wie die Weine des >CHATEAU MORNAG< mir schmeckten.
Größtenteils im Lande vermarktet (9 Millionen Touristen p.J.!!) und in Qualität den süd-frz. Weinen -sowie im Geschmack/Genuß- ohne Verdruss sehr nahekommend. Nur erheblich preiswerter (z.Bsp. in "*-Restaurants" für 9-14.000 TDN = ca. 4,50/7,00 Euro die 0,75 ltr./Flasche!) in den streng lizensierten "Verkaufsstellen" in diesem islamischen, afrikan. Land.
Es gibt aber auch -bald- eine Tour zu den Weingütern in Mornag und Kelibia mit Weinprobe. Zwar noch keine "Weinstraße" und/oder "Weinfeste", aber... >schaun mer mal,< was alles auf den Spuren des "Großen Mago" der ollen Weinnase in Tunesien möglich sein wird: mit Rotwein aus der Ebene von Mornag und Weißwein aus der Region Kelibia auf >Cap Bon<.

Übrigens: den ersten tunesischen -überraschen "trockenen"- Rotwein genoß ich vor über 38 Jahren -von "Feinkost Hoerschkens" in Düdo-Derendorf für sehr, sehr wenig Geld. Und schon damals gefiel mir dieser fruchtbetonte Wein (13,5 % Alk., ohne große "Holzstilistik") aus Nord-Afrika =>TUNESIEN!

Aber dazu, nach meiner Rückkehr ins kühle Deutschland, nach Karneval (Feb. 08), etwas mehr an genaueren Genuß-Berichten und weitere Geschichten von meiner Suche nach der "WIEGE DES WEINES"!

Eure, sich sonnende olle Weinnase,
aus der Strand-Oase!


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