Weinnasen-Geschichten aus 2005

Goethe, der Rhein und die Rheinländer


10.04.2005

Tach aber auch!

Wenn der "Große Goethe" von den Rrheinlanden und seinen Menschen sprach, nannte er dies "heimatliche Beglückung". Die literarische Idylle, den "locus amoenus" fand der Dichter-Fürst hier bei mir in den Rheinlanden.
Und diesem erstaunlichen "Wirtschaftsfachmann" (Geheimer Rat) war sogar die Oenologie nicht fremd (Saale-Unstrut). Watt für'n Wunder, datt die Düsseldorfer Bürger einem so großen Bewunderer ein... Museum: Goethe-Museum gewidmet haben, dessen (Forscher) Leiter, Prof. Dr. Volkmar Hansen, mir das Werk Goethe's als "Glauben an die Zukunft" dereinstmal näher brachte.
Goethe, als "universeller Betrachter" und Repräsentant der Humanität der deutschen Klassik mit seiner unbedingten Ehrfurcht vor der menschlichen Natur, als... "Heimatfreund" kaum >so< gekannt.
Der am 22. März 1832 in Frankfurt/Main geborene "Lebensfreund" verbrachte lange Zeiten in verantwortlichen Tätigkeiten im thüringischen Weimar und war ein profunder Weinfreund -hab schon mal watt von seinen "Weinlieben" im W+-Forum gemailt- und wacher Jurist.
Seine Liebe zur "Universellen Wahrheit" ist auch durch sein autobiographisches Werk "Dichtung und Wahrheit" mit bekanntgeworden. Weniger bekannt sein dürfte, das der Vater des Johann Wolfgang (von) Goethe vor dem damal. >Friedberger Tor< der Stadt Frankfurt einen Weinberg besaß, der auf "Jung-Goethe" wohl einen starken Eindruck machte:
"Nach mancherlei Früchten des Sommers und Herbstes war aber doch zuletzt die Weinlese das Lustigste und am meisten Erwünschtes; ja es ist keine Frage, daß, wie der Wein selber den Orten und Gegenden, wo er wächst und getrunken wird, einen freieren Charakter gibt, so auch diese Tage der Weinlese, indem sie den Sommer schließen und zugleich den Winter eröffnen, eine unglaubliche Heiterkeit vebreiten"...

"Heitere Freiheit" fehlt heute den meisten Weinfreunden, wenn sie sich gehetzt von Weinmesse zur Degu-Party und Handelsveranstaltungen in Sachen Wein quälen. Test- u. Verkostungs-Marathon's sind seit Jahren die wüsten Auswüchse eines Wein-Marketings auf dem "Markt der Eitelkeiten". So wie er sich z.Zt. wieder im Bordelais/Frankreich zeigt und das "Regime des Geldes", statt Genuß ohne Verdruß zur zentralen Bedeutung stilisert. Stress und Hetze! Manierismen und geckes Getue gaukeln fachmännische Profession vor!!

Goethe, als aufgeklärter Mensch des 18. Jhdrts. hätte diesem unwürdigen Gerangele und "blindem" Speculieren wohl einige -scharfsichtige wie passende- Zeilen gewidmet.

Wo Zeit- und Mangel an Genußfähigkeit durch Punkte & Sterne diverser, sich berufen fühlender Wein-Kritiker den eignen Geschmack hat ablösen können, da kann ich die fast bukolinisch zu nennende Heiterkeit eines Herrn Goethe nun nicht mehr finden. Ratings, Listen und "Jahreszahl-Kärt'chen" diverser Journaillien sollen "Genuß-Werte" vermitteln. Zum schnellen Kauf verführen, ohne die Landschaften und deren Menschen und von ihnen geschaffene wie gewonnene Produkte zu "bemerken". Denn hier ist das "Terroir", was heute nur einen weiteren Marketing-Begriff bedeutet.
Zeitlebens war Goethe dem Wein und seinen "schaffenden" Menschen sowie Landschaften zugewandt. Und der Weinbau war ihm bekannt und seit Jugendzeit ein Bild der Freude und Lust gewesen.

Am Ende seiner "Rhein-Abenteuer" und vielen Reisen ruht sich Goethe in Düsseldorf-Pempelfort, auf dem "vor den Toren der Stadt liegenden" großen Gut der Gebr. Jacobi aus. Mit Fritz Jacobi verband ihn über die Gastfreundschaft eine Art Seelenverwandtschaft in heiteren Gesprächsrunden.
Die von den Wirren und Kriegen überfüllte Stadt am Rheine meidet er wegen der Flüchtlinge und sich abzeichnender Suchengefahr. Von Düsseldorf reist er nach Duisburg um seinen Freund und Philosophie-Professor F. V. L. Blessing zu besuchen. Von dort ging's dann ins "platte Münsterland" zu einem Besuch der Fürstin Gallitzin in Münster. Die frz. Kriege hielten ihn kurz darauf von den durch Frankreich besetzten Rheinlande -seinem Hort der Heiterkeit und Wein-Genuß- für über 2 Jahrzehnte fort/weg!
Erst 1814 wird er in Wiesbaden wieder seiner "Weinlust" und Fabulierkunst -nach der Befreiung der Rheinlande vom "frz. Joch"- mit einen >Beschreibungen< frönen. Dabei ist mit "Im Rheingau Herbsttage" ein besonderer Begriff seiner Worte, die "Denkmäler" schufen!

Bereits 1824 schickt die "Nederlandse Stoomboot-Maatschappij" aus Rotterdam das Erste Dampfschiff den Rhein hoch.
Eine Freundin Goethes schrieb ihm am 26. Aug. 1827 von der modernen Rheinpartie. Goethe, damals schon 80-jährig, nahm die Idee einer "modernen" Reise auf und schrieb Marianne von Willemer am 28. Juli 1829 einen beschwingten Brief und berichtete (ihr) "Ich bin in meinem Garten am Park gezogen und lebe da..."!
Goethe's Gartenhaus ist vor den Toren Weimar's zu besichtigen. Seine Gartenbau-Kunst und Wiessen um diese hat er vielfach kundgetan. Seine Heiterkeit und "Weinlust" hat es mir angetan, genauso wie seine profunden Kenntnisse und Professionalität.

Ich hab' mir vorgestellt, JWvG würde in der heutigen Zeit als beamteter Jurist leben. In einem Bundesministerium in... Bonn -weil am Rhein- arbeiten und weite Reisen unternehmen um dabei seine "Betrachtungen" niederschreiben. Seine Lust und Heiterkeit sowie tiefe Lebensweisheit in Form von "Wein-Beschreibungen", gedruckt als "Goethe's Wein-Reisen", nebenberuflich verlegen.
Würde es dann noch einen "Judge" wie Parker geben? Würden dann "Schulnoten" einen Wein klassifizieren? Oder wie würde *ER* heute dem Wein seine lustvolle Wertschätzung geben? Würden noch weitere Weinführer ihre Existenzberechtigung neben Goethe's Werken haben? Leser haben?
Und wären die Rhein-Wein-Lande dann nicht wesentlich bekannter/berühmter als das Weinanbaugebiet an der Gironde, nahe dem alten Städt'chen Bordeaux? Der Rhein-Wein exorbitant teurer als frz. Weine?

Nun! Genug der "Spielerei" mit dieser, mir sehr wünschenswert erscheinenden Idee eines Rheinländers. Genauer: Niederrheiner's, wie ihn der Moerser Hanns-Dieter-Hüsch so oft wie trefflich karikierte und "liebte"!

Unsere deutsche Sprache wird in manchen Weinkauf-Listen zu bloßen Anhängseln von Punkten und Fakten-Stakato von blöden Superlativen! Weinlisten in Restaurant's gleichen sich wie billige Konsalik-Romane!
Die Kunst der Sprache verkommt im Wein-Business zum Marketing-Appendix. Die Journaille, die dieses Business zu einem Tanz ums "Goldene Kalb" mehr als plattgewalzt hat, "kupfert" sich so oft ab, das daß als Peinlichkeit schon gewöhnlich geworden ist.
Nicht nur ich finde, es ist wieder die Zeit, daß das Wort in der geschriebenen deutschen Sprache auch im Wein-Business wieder "gepflegt" und... gefragt ist. Seinen Stellenwert wiederfindet.

Ich find' es schade, daß das hektische "Reporting" über Weinlust und Genuß statt das >gepflegte Wort< seit Jahren herrscht und wohl noch länger herrschen kann. Es sei denn... es gäbe wieder einen "Goethe der Neuzeit", der bereit ist!

Eure olle Weinnase,
on the road again!

Für mich gehört's schnabulieren und fabulieren nun mal zusammen. Das punkten und richten überlassen sollten wir den Wichten und denen, die sich dafür/dazu so richtig wie wichtig nehmen!


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