Weinnasen-Geschichten aus 2005

"Von der Pieke auf...!"


01.11.2005

Tach aber auch!

Das "Gärtnern" habe ich nicht gelernt. Eigentlich hat's mich auch nie - damals - interessiert, als ich meinem Vater im Garten helfen musste. Rasen mähen, Kanten abstechen, Unkraut zupfen, Hecken schneiden, Obst pflücken, bücken, bücken und nochmals bücken und dennoch enttäuscht sein, wenn ett dort nitt blüht, wo die, lt. Prospekt vom "Gärtner Pötschke", in Prunk, blühende Clematis ranken sollte.

Von meinem Vater hab' ich's "gelernt", ihm zur Hand zu gehen, mir mein karges Sonntagsgeld von 50 Pfennig die Woche "aufzubessern".
Von ihm habe ich für's Gärtnern das Wesentliche "gelernt" und, erst in letzter Zeit, so richtig Geduld zu haben. Geduld ist des Gärtners Tugend! Ein, zwei, drei Jahre muss man(n) -oft- auf einen Erfolgt in den Rabatten warten, wenn man(n), wie ich, selber aussät und Stecklinge pflanzt. Es braucht für den Anwuchs/Aufwuchs von Blüh-Pflanzen seine Zeit. Obst-Gehölze sogar noch länger, bis die begehrten Früchte volle, saftiger Ergebnisse bieten.
In und mit der Natur leben heißt auch, Geduld zu üben und einen Überblick zu haben und nitt nur die Regenwürmer nachzuahmen: Graben, graben, graben!

Und man lernt das Teilen. Pflanzen werden mir ihren Horsten (Wurzeln etc.) geteilt und "verzogen", d.h. die neuen Pflanzenteile weiter verbreitert ausgebracht/eingepflanzt.
Dies sollte man(n) aus geeigneten (Garten-)Büchern oder aus dem Internet aus Gartenforen sich als Wissen aneignen, das gekonnte teilen und verzweigen, absenken, pfropfen und binden. Oft tut sich auch ein netter Nachbar finden, der die Not des Unterfahrenen mit seinem "gesicherten" Wissen, beiseite schiebt weil er seinen Garten liebt und liebevoll sein Können und Wissen weitergibt. DAS, nenne ich, DAS TEILEN; mitteilen von Wissen und Geschick!

Was mir mein Vater, ein Bauernsohn aus Limburg (NL) mitteilte, sein Vater schon von seinem Daddy aus Flandern (Belg.) lernte, ist bei mir "gelandet". Großvaters bäuerliches Wissen so unmittelbar aus dem Wissenschatz seiner Vorväter und Bauern.
Mein Großbater brach mit der Tradition, er ließ seine 7 Kinder studieren und lernen, was ihnen gefiel statt ein ungeliebtes, großbäuerliches Erbe anzutreten. So wurde keines seiner 7 Kinder Bauer oder Gärtner. Nur mein Vater hatte eine grundlegende Liebe zum Garten, der uns in den sog. "schlechten (Nachkriegs-)Zeiten" so trefflich ernährte und mit Obst und Gemüse versorgte.
Mit wachsendem Wohlstand veränderte sich diese (Klein-)Gärtnertradition der Selbstversorgung, hin zum "Freizeit-Garten" mit prunkvollem Blumen- und Blüten-Schmuck und Grün-Zierde. Bis hin zur sommerlichen "Party-Destination" einer "neuen" Gärtner-Generation.

Der Garten "im Wandel der Jahreszeiten" ist schon ein spannendes Thema und Arbeit genug für meine Frau und mich! Der Garten im Wandel der Zeiten, ist für mich ein eingleiten in eine wechselvolle, spannende Geschichte unserer Kultur-Nation, die über "Hege und Pflege" hinausgeht.
Ergänzt und angeregt durch die so lebendige Garten-Medizin, der Heil-Kräuergarten des Orients, Asiens und seit der verordnungsfrohen Zeit des Großen Kaiser Karl, der ja selber eines Reiches Gärtner war und die Wissenskunde dieser Gartennutzung, als Auftrag im 9-ten Jahrhundert, in die Hände von gelehrten wie gelehrigen Mönchen und Klosterbrüdern legte und per Gesetz dekreditierte!

Selbst >botanische Lehrgedichte< stammen aus der Ur-Vorzeit der "Gärtnerei" als "Kräuterey". Besonders hervorzuheben ist hier das Leben und Streben des Arztes, Schriftstellers und frz. Mönchs, Odo von Meung (11-tes Jahrhundert. Er verfasste den berühmten "De viribus (naturus) herbarum" Titel (später genannt: "Macer Floridus"!) in 180: Ganze 77 Pflanzen beschrieb er in 2.269 Hexametern (Versformen)!), in einer poetischen Glanzleistung. Den ehem. lat. Text, der eine botanisch-taxonomische Gruppierung der Pflanzen nach ihrem Stamm/"Familien" ist!

In folgenden Jahrhunderten(!) wurde dieses Werk oft übersetzt und in andere Sprachen übernommen und gilt als DIE Quelle für alle späteren Kräuter-(Heil-)Bücher.
Der usprüngl. Werkeverfasser musste aber wohl in Vergessenheit (Gart der Gesundheit) geraten sein und sein grundlegendes Werk wurde fälschlicherweise einem römischen Dichter des 1. Jhdrts., dem Aemilius Macer, zugeschrieben, was den "neuen" Namen des gewaltigen Wissens-Werkes auch für die lehrwilligen späteren Jhdrte. ableitete!
So teilte dieses Grundlagenwerk dasselbe "Schicksal", wie des "Pseudo-Apuleius": Einer verfälschten Verfasser-benennung.

Er schrieb, 1480/3, das "Circa Instans" aus Salerno, als "Gart der Gesundheit" bekannt. Dem "CI", der Gundlage seines Werkes, gab der Stadt-Doktor von Mainz, der ehrenwerte Johann Wonnecke somit "Unsterblichkeit", als im Verlag/Druckerei des Mainzers Peter Schöffler, 1485 (!) das gedruckte und verlegte Buch - mit Fehlern und mit "Bildern" - als 1. Kräuter-Gartenbuch - nach der Erfindung des Buchdrucks (des Mainzers Gutenberg's sog. "schwarze Kunst"-Werk) erschien.
Auch hier wurde der Ursprung, das >C.I. aus Salerno< in die Vergessenheit gedrängt und ursprüngliches Wissen "abgedrängt"/eingeschränkt!

"Der Garten und seyn Wissen" ist für mich sehr spannende Kultur- und "Gesundheydts"-Geschichte; oft mühsames "Puzzle-Spiel" mit detektivischem Einsatz statt "leichtes Lesen" von gängiger "bunter" Literatur.
So ist's Wissen und Können des ehem. Leibarztes des ber. Kaisers von Rom, Marc Aurel, das Werk des unumstrittenen Mediniers Galen (129 - ca. 200) aus Pergamon (heutige Türkei) auch die wissenschaftliche Grundlage des Studiums der Medizin und Naturphilosophie, eines Mannes, auf dessen Namen ein bis heute gültiger Eid geschworen wird, des: HIPPOKRATES.

Die Wirkungsgeschichte des sog. "Galenismus" lässt sich aus der "grauen" wie ungenauen Vorzeit, über arabische wie spätere europäische Medizin-Literatur, bis hin zu den div. "Klosterschriften" verfolgen. Auch ein -respektables- Stück eines ehedem gärtnerischen Grundwissens (der antiken Lehre bis zum Neuzeit) eines Artes namens Hahnemann oder der "Mutter aller Klosterkräuerley", der Hlg. Hildegard von Bingen, tat Galen sein profundes Garten-(Kräuter-/Natur-)Wissen hinterlassen ("Physica"; 1533) und zur Gundlage ihres Wissens (liber subtilitate diversarum naturarum creaturarum" ca. 1150/1160) werden lassen!

Für mich gibt's den "Garten des Wissens und der Geduld", der sich in meinem kl. "ZauberGarten" wiederspiegelt und an einige, Besucher wie "Frager", heiter weitergegeben wird. Dann, wenn meine Frau als "Grüner Daumen" oder ich, die olle Weinnase, es nicht mehr physisch können... bücken, hegen, schneiden, pflücken, bücken, pflegen, graben, den Garten als Ausdruck unseres Schaffen's und Sein's so weiter zu betreuen - und sich an ihm zu erfreuen. In seinem blühendem Sein die genußziehenden "Gäste" zu sein!
Das wird für uns der schwerste Schritt, die Aufgabe des "ZauberGartens" und Übergabe an jüngere "Nachfolger". Eine sanfte, lehrreiche Überleitung in andere, schaffende (schmerzfreie!) Hände, wird dann nitt das Ende dieses, aus den frühen 30-iger Jahren des letzten Jahrhunderts stammenden Garten sein. Aber es wird wohl keine kl. Geschichten und Ansichten eines (Klein-)Gärtners mehr geben. Nur unsere erlebte Gartengeschichte, die sanft verblassende "Blütenpracht der Erinnerungen", die bleibt eine Weile in unserem Herzen. Und die Genugtuung, den Garten in liebevolle Hände einer "Familie mit Kind(ern)" übergeben zu können.
Ob wir uns dann noch trauen, ab und an, einen Blick über'n Gartenzaun "zurückblickend" zu werfen? Wer weiß datt schon jetzt. Noch halte ich meine Bastion der Ruhe und des natürlichebn Genusses "besetzt"; als

olle Weinnase,
mit der tätigen Hilfe meines "Grünen Daumen's", meiner Ehefrau Brigitte >Wiese< !


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