Weinnasen-Geschichten aus 2007

Es ging nicht "anders" weiter!


07.07.2007

- Eine gar nicht heitere SF-Glosse (aus 2057) -

Eigentlich dürfte ich heute gar nicht >hier< sein. Hier im Viertel der PROD's.
Ein Viertel daß das >Town-System< ausschließlich für die "begehrten" PROD's gebaut und reserviert hat... und schützt.
Ich gehöre zu den priveligierten NOPROD's, die vom "TS"-Management geduldet und beherbergt werden. Die weniger geschätzten NOPROD's werden ge- und verjagt und in Camps - mehr als primitiv - eingesperrt.

Hier, im Quartier der PROD's ist es sauber und -fast- ruhig. Die Straßen haben gepflegtes Grün und die Parks wirken sicher und freundlich. Sogar Bars und Restaurants mit ansprechendem Ambiente gibts neben kleinen Super-Bazaars. Diese SB's haben ein piek-feines Angebot. Sogar frisches Gemüse und seltenes Obst gibts hier. Und eine funktionierende, integrierte öffentliche Beleuchtung und... pünktliche, saubere und klimatisierte - mit ausreichenden Sitzplätzen ausgestattete TPS! Diese TPS - ein öffentliches Trans-Port-System - führt nur bis zu den Ports zu unserem Kiez. Dann gehts für uns NOPROD's mit Sammelbussen der Ur-Alt-Serien (Gas-Motoren) weiter. Einen erkennbaren Fahrplan haben diese Vehikel schon lange nicht mehr. Genauso wie eine ausreichende Pflege und Wartung.
Mit einem solchen schäbigen Vehikel fuhr ich - bis kurz vor der Wendeschleife des Ports - heute schon sehr früh los. Unauffällig mußte ich bleiben und mich anders - fancy - kleiden um durch die Kontrollen der PROD-Security zu kommen. Selbstsicher und auf jünger "getrimmt" hatte ich eine Chance die "geblendeten" Securitie's su überlisten und durchzukommen. Ich mußte durchkommen. Denn nur hier im Prod-Quartier gab es ein bestausgestattetes MED-Center. Nur hier war u.U. die für meine Frau und mich wichtige Hilfe zu bekommen.

Hier im Prod-Quartier IV. an der "Waldgrenze" sollte es noch ein oder zwei der ausschließlich für Prod's arbeitende MED's geben, die -illegal- uns NOPROD's mit medizinischer Versorgung und Medikamenten halfen; so gut sie's im Verborgenen konnten.
Die MED's arbeiteten schichtweise und "leise" in sauberen, freundlichen und effizienten medizinischen Vor- und Versorgungscentern in der Prod-Sphäre. Obwohl die PROD's eigens für sie eingerichtetes - ein inselartiges- KURMED in sauberer Natur eines weiten Park und Fun-Geländes aufsuchen konnten und mit all-inclusive-Med-Services -kostenlos- versorgt wurden. Einer der Standards für PROD's im Jahre 2057; 30 Jahre nach dem weltweiten Zusamenbruch, dem WWD (World-Wide-Desaster)!

PROD's sind extrem Priveligierte, die die wenige Arbei im NWS (Neue-Welt-System) verrichten dürfen und dafür ihre persönliche Leistungskraft - von frühen 26ten Lebensjahr bis zum Ende der persönlichen Produktivität = PROD-TIME mit 42 - in besonderen Ausnahme-Fällen und durch die MED's mit Gutachten und vom DS-Directory-Board mißtrauisch beäugt, bis allerlängstens dem 45. Lebensjahr. Dann beginnt die Abstufung in zwei Schritten zum priveligierten Non Produktiven, den nicht mehr Arbeitenden/Leistenden, den NOPROD's mit garantierten Versorgungenansprüchen bis zum 62. Lebensjahr. Danach gabs noch die minder-priveligierten, die in ihrer Erbärmlichkeit nur rudimentiert versorgen MIPRIV's in ihren, ausgegrenzten, ghettoartigen Blocks hinter unserem Kiez: dem Viertel mit Service-Units und ihren ständigen, durch Vandalismus und Überalterung schadhaftem, defekten Versorgungs-System mit Automatsation statt menschlicher Betreuung.
Damals eine echte Sensation und bewunderte Neuerung in einem maroden, sozialen Versorgungssystem. Versorung und Medikamentation für jeden und Alle. Zu jeder Zeit durch die persönliche PIN-Card erhältlich.
Und... offiziell gibts sie nicht. Schon lange nicht mehr: Menschen ohne jegliche Versorgungsansprüche, Zugang zum TP-System der den SU's - soweit sie funktionierten - oder medizinische Grundversorgung - die nie ausreichend für uns im Kiez war - oder zum CC, dem Cultur-Club für uns NOPROD's. Hier soll uns kulturelle Bildung, Abwechslung und intellektuelle "Ansprache" gewährt werden. Alte - auf neuen Holo-Standard-TV-Pictures und abgehalfterte Stars und der - oft rührende - Versuch einer Selbstinszenierung waren die uncharmante - langweilige Ralität im Jahre des Herrn 2057.

Schwül-warm und extrem feucht war der Tag im Dez. 2057. Und just an diesem Tage musste ich ins Prod-Quartier, in dem ich mich, i.d.R. mit nie ausgestellten Sonder-Ausweis für max. 5 Std. - von 11 - 16 Uhr - aufhalten durfte; sofern ein PROD mich "einlud", d.h. für mich bürgte und haftete. Denn meine PIN-Card wurde an keine SP oder Bar und Restaurant noch medizinischem Center oder bei dem Transportsystem angenommen; hier war ich ein Nobody und auf den care-fact der Prod's angewiesen. Doch diesen "Hilfefaktor", diese Solidarität gabs scheints nicht mehr zwischen den Arbeitenden und den Nicht-Arbeitenden; oder Alten und Kranken. Die wurden durch scheints unüberwindbare Schranken fern, d.h. "unsichtbar" für die elitären Produktiven bei uns im Kiez festgehalten! Und unserem Mitleid und Selbsthilfe-Pflege überlassen. Wer hier als priveligierte, nicht-arbeitender Bürger - sozial engagiert - mithilft, dem weden kleine Vorteile gewährt. U.a. das Fahrkontingent bei dem TPS im Kiez, von 6 auf 8 Stunden die Woche. Wobei mindestens 1 Fahrkontingent eine Tour vom Service-Point zum Block unserer Unterkunft grade mal reichte. 2 FK's also waren für eine Tour "fällig" und wurden elektronisch -sofort- vom Konto meiner PIN-Card abgezogen!

Nicht, das ich klage, aber so ists doch und die Lage in der verbliebenen - eingeschränkten - Welt ohne Geld und Solidarität eines verwaltungsmäßigen, notwendigen - so wurde es uns gesagt - 3 Kastensystem. Die Kinder und jungen Menschen, sofern sie von dem Med.-Service für genetisch gesund und leistungsfähig eingestuft wurden, hatten eine Art Vorstufe; der der Produktiven ähnlich und freie Ausbildung, fördernden Sport und spezielle Cultur-Center mit Lehreffekten.

auf diesen Tag im sonnig-feucht-warmen Dezember des Jahres 2057 hatte ich mich gut vorbereitet. Alle Accessoires für meine Verwandlung vom "älteren" NOPROD in einen gepflegt-stylischen, jüngeren PROD zum Ausgang seines Priveligierten-Status und Bürger in der Prod-Area IV. Mit dem verbrieften Recht auf Zugang zum medizinischen Versorgungs-Center, in dem med. Fachpersonal Medizin u./o. Hilfsmittel ausgab und Hilfe gab.

Denn, meiner Frau gings seit Wochen schlecht. Der "Auto-Doc" im ramponierten MedC-Unit unseres Kiez gab zwar 'ne computerisierte Anamnese und Warnhinweise aus. Aber... am Ausgabeschacht kamen - trotz "freier" PIN-Card - nicht alle notwendigen Medikamente heraus. "Nachlieferung derzeit nicht möglich" stand auf dem Display. 2, 3 x pro Woche vergeudete ich für diese "bad news" unsere ohnehin schon knappen Fahrtkontingente.

Und diese Anzeige änderte sich nicht. Nur die Prioritätsstatus-Erklärung der MedC-Unit schien immer dringender: "Um einen irreversiblen Schaden zu vermeiden, nun sofort die vorgeschriebenen Medikamente gemäß Anweisungen einnehmen" stand zu lesen. Und hektisch-rot flackerte ein WARNHINWEIS: "Der Notfall droht".
Der MedC-Service in unserem Kiez war für uns privilegierte Noprod's 2 x pro Woche aufsuchbar. Vorausgesetzt, die PIN-Card ließ die Nutzung in diesem Modus auch zu. Viele Nutzer beklagten, trotz dem nicht verbrauchten "Benutzer-Kontingent" würde die MedC-Unit sie abweisen, die PIN-Card abweisen: "Service wird mißbraucht" stand dan auf'm Display zu lesen.
Und was es hieß, von dem Security-Service des Med-Systems wegen Nichteinhaltung der medizinischen Ver- u./o. Vorsorgungsregeln in ein Correct-Center abgeholt zu werden, ist uns allen hinreichend bekannt. Die meisten der zur "gesundheitlichen Korrektur" zwangsweise eingewiesenen Kranken starben oder kamen als hilflose-geistige wie körperliche Krüppel zurück. Für eine Zeit gaben dann die MedC-Unit's besondere Medikamente aus. Dann war's, nach wenigen Tagen/Wochen "Aus"!

Dieses unausweichliche Schicksal wollte ich meiner Frau ersparen. Ich konnte sie nicht so weiter leiden und hilflos sehen. Also musste ich in der "verbotenen Zone", bei den Prod's evtl. mögliche Hilfe/Medikamente suchen. Unter hohem Risiko für mich und dne illegalen Helfern und medizinischen Fachkräften dort. Denen drohte sofortige Abstufung in die III. Non-Prod-Klasse! Mir "nur" weiter Einschränkungen bei den Nährwerten und Energieversorgnugn und Reisefreiheit etc.!

So ist die "offizielle" Verlautbarung zu den Gesetztesverstößen in diesen Fällen. Die Gerüchte und "Underground-News" berichtet aber von plötzlich Verschwundenen. Menschen, die von ihren unerlaubten "Tripps" nicht mehr in ihren Block zurückkamen und deren Namen und PIN's gelöscht wurden. Nachfragen und Suchen enden dann immer im Nichts bei "SeSe" (=Security Service).
Mir war jede Strafe oder Maßregelung oder "Verbannung" egal. Es ging mir hier umd das Leben meiner geliebten Frau; ihre Vitalität schwand zusehens!

Noprod's waren nicht an der Übergangsstelle zu sehen. Sie hatten dort aber auch nichts zu suchen. Vorsichtig hatte ich mich - umgemodelt/verkleidet und "verjüngt" - den dort, ruhig in einer Reihe der Kontrolle durch die "SeSe's" entegen schiebenden kl. Schar der Prod's, die von ihren ungeliebten Jobs in unserem Kiez zurückeilenden und aus dem Shuttle steigenden "SysOps" (System-Operatoren/Wartungs-Ingenieuren etc.) genähert und mich als letzter "Rückkehrer" eingereiht. Den akurat gefälschten PIN-Ausweis - der mich als Prod-Klasse B ausweisen sollte, in der schwitzigen Hand. Nach dem neuesten Hype der Prod-Mode gestylt und von einer Könnerin ihres Fachs getunt (verjüngt) und ausgestattet mit dem bei den Prod's z.Zt. herrschenden Slang "trainiert", schien es mir möglich, die lax kontrollierenden SeSe's zu täuschen. Nur... die gefälschte PIN-Card macht mir Sorgen. Denn eigentlich galt das PIN-System als nicht "knackbar" - todsicher!
Der Jüngling mit dem "schmückenden" Outfit der SeSe's, gab mir sein gelangweiltes Lächeln und ein flüchtiges "Hohi", nahm die PIN-Card aus meiner Hand und ins Lesegerät des Port-Systems. Sein Routine-Lächeln verschwand mit den Alarmsignalen, Klingeln und Schrillen in kreischenden Tönen... meine ausgestreckte Hand fand fahrig und schweißnaß den... Wecker an meinem Bett. Meine noch schlaftrunkene Frau strahlte mich mit einem "Guten Morgen, Schätzele" an.
Und ich begriff, daß der Albtraum - meine Reise ins Jahr 2057 - nur ein "schlechter Traum" gewesen war. Getragen von dem TV-Spielfilm vom gestrigen Abend war ich, nach langen Gesprächen mit meiner Frau und dem Thema des Pro7-TV-Spektakels ins Bett gegangen.
Lange habe ich noch wach und grübelnd gelegen und überlegt, was wir für eine Zukunft haben mit der Klimaveränderung; wie wir in Zukunft als Alte und Kranke sowie Randständige leben; wie wir in einem sozial "kälteren" Umfeld leben/existieren können und werden. Den Albtraum hatte ich mir also durchs anschauen und folgen der TV-Sendungen "angetan".
Denn in >die< Zukunft schauen, dies vermag ich doch nicht. Besorgt darüber nachdenken, wohl schon.
Und zu einem für uns wichtigen Entschluß kommen, auch...!

CpS


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