Weinnase: Geschichten aus 2007

Auf den Böden der Tatsachen?

24.09.2007

Tach aber auch!

Belächelt wurden >SIE< zumindest! Verächtlich gemacht wurden >SIE<, gemobbt und als üble Spinner abgtan.
Wie immer, wenn Menschen sich ernsthaft Gedanken um die Umwelt, Verbesserungen und nachhaltige Änderungen machten und einforderten. Wie immer, wenn notwendige Umstellungen in der Produktion und/oder Gewinnung von "Lebensnotwendigkeiten" gabs Verfechter dieser neuen Denkansätze und Methoden und... Menschen, die dies ignorierten und ablehnten. Stikte Anhänger hatte jede Seite; die der arroganten Ignoranten überwiegt bis heute.
Und dies, obwohl den Anhängern der >BIODYNAMIK< wissenschaftlich nachweisbare, sicht- und genießbare -erstaunliche- Erfolge in den letzten 30, 40 Jahren zuzusprechen sind.
So auch unbestreitbare Erfolge durch motivierte Winzer zum biodynamischen Weinanbau!

Ich habe nicht vor, hier in den immerwährenden Streit mich einzubringen oder die Fahne der BIODYNAMIK kampfbereit hochzuhalten. Nur... einmal die Zeit zum nachdenken, zum selber "austesten", zum genießenden Tester den Menschen sich zuwenden, die mit den ur-alten Methoden der biodymanischen Landwirtschaft unserer Erde und dem Leben ganz besonders Respekt entgegenbringen.
Nicht, bitte nicht, mit "billigen" Schlagworten und unbegründeten Vorbehalten die erstaunlichen Leistungen niederreden, verächtlich machen. Ich werde hier nicht "MISSIONIERN", sondern nur anregen, mal Weine und andere Produkte dieser "Pioniere" zu probieren und   f a i r   zu bewerten!
Ich selber plädiere dafür, beide Methoden den Genießern und Weinfreunden, ohne   i d e o l o g i s c h e n   "Firlefanz" anzubieten und vorzustellen, die Entscheidungsfindung zu ermöglichen!

Als erste Maxime steht für mich bei der Biodynamik die Verbeserung der BODENQUALITÄT im Vordergrund. Die Prinzipien des "modernen" biodynamischen Landbaus wurden 1824 vom Anthroposophen Rudolf Steiner in Deutschland systematisch entwickelt und festgelegt.
Ich zitiere da die Meinung des elsässischen Ausnahme-Winzer Oliver HUMBRECHT (Master of Wine) von der alt-ehrwürdigen Domaine ZIND HUMBRECHT, Elasss, mit seinen Erfahrungen seit der Umstellung in 1992:

Zitat:
Auf der ganzen Welt hören Weinliebhaber immer mehr von biodynamischem Weinbau. Noch vor wenigen Jahren wurden Pioniere der Biodynamik als merkwürdige Sonderlinge abgetan. Sie wurden für bizarre Bio-Anbauer gehalten, die seltsame Methoden anwenden und sich z.B. nach dem Mondzyklus, den Planeten und Sternen richten. In den letzten zehn Jahren hat sich die öffentliche Meinung dahingehend geändert, dass ein gewisses Sichlustigmachen der Neugierde und vielleicht sogar dem Respekt Platz gemacht hat, da in jüngerer Zeit mehr und mehr gute Weinberge nach biodynamischen Richtlinien bewirtschaftet werden.
Was ist eigentlich Biodynamik?

Die Prinzipien der biodynamischen Landwirtschaft wurden im Jahre 1924 von Rudolf Steiner in Deutschland festgelegt. Damit hat er auf die Situation der Landwirte reagiert, welche ihre Böden durch den missbräuchlichen Einsatz der Düngemittel der wachsenden deutschen Industrie bedroht sahen.
Diese Pinzipien sind in den folgenden drei Punkten zusammengefasst:

- Die Verbesserung des Bodens und des pflanzlichen Lebens in seinem natürlichen Milieu, durch die Verwendung von Produkten pflanzlichen, tierischen und mineralischen Ursprungs.

- Der Einsatz dieser Produkte zu ganz bestimmten Zeiten des Jahreszyklus (Sonne, Mond etc.). Dies ist der eigentliche dynamische Ansatz und berücksichtigt, dass der Grund und Boden (Erde = Mutter, Sonne = Vater) einen eigenständigen Organismus darstellt.
Ein biodynamischer Landwirt wählt bestimmte Bodenbehandlungen, die darauf abzielen, die Lebenskraft des Bodens und der Pflanzen zu stärken.

- Das Bearbeiten der Böden durch Beackern, Pflügen usw.

Das Ziel.
In der biodynamischen Landwirtschaft geht es hauptsächlich darum, sich um die Böden zu kümmern. Dazu muss sichergestellt werden, dass diese im richtigen Gleichgewicht sind und die harmonischen Voraussetzungen für den Grund und Boden, die Pflanzen und die Umgebung gegeben sind. Biodynamiker gehen davon aus, dass die Qualität der Böden nicht an ihrer chemischen Zusammensetzung und ihrer Struktur gemessen werden kann, sondern anhand von Qualität, Quantität und Vielfalt der in der Erde vorkommenden Bioorganismen. Die Biodynamik hat die Verbesserung der Bodenqualität zum Ziel. Eine Vielzahl von Bakterien, Pilzen, Würmern usw. verhelfen der Pflanze zu dickeren, gesünderen und längeren Wurzeln. Blätter und Blüten entwickeln sich besser, denn solche Böden stellen die Energie zur Verfügung, die für einen harmonischen Wachstumsprozess benötigt wird.

Was motiviert Winzer zur Biodynamik?
Biodnamik ist mehr als nur eine biologische Anbauweise. Es gibt viele Gründe, biodynamisch anzubauen:

- Die Erforschung einer gewissen Lebensphilosophie (Anthroposophie).

- Das Interesse an der Zukunft unserer Böden und des ökologischen Systems. (Werden unsere Weinberge auch in den nächsten 1.000 Jahren noch hervorragede Weine hervorbringen, wenn wir nach konventionellen Methoden anbauen?)

- Das Interesse, mit verschiedenen Methoden zu experimentieren, um die Weinbauprobleme in den Griff zu bekommen.

- Die Zertifizierung biologischer oder biodynamischer Produkte.

- Der Marketingeffekt für Weine, die nach biodynamischen Prinzipien erzeugt wurden.

Funktioniert es?
Seit nunmehr 8 Jahren biodynamischen Anbaus auf unserem Anwesen (was eine sehr kurze Zeit ist) haben wir viele Auswirkungen dieser Methode auf die Reben gesehen und erlebt. Vor über 10 Jahren haben wir uns dazu entschieden, unseren eigenen Kompost herzustellen, da wir mit dem kommerziellen biologischen Kompost unzufrieden waren (ihm fehlt das Leben, das den Kompost bei der Verwendung erst interessant macht).
Wir haben viele Jahre lang versucht, einen hochwertigen Kompost zu produzieren, und waren dabei mit grossen Schwierigkeiten konfrontiert; bis zu dem Jahr, wo wir ausschließlich biodynamischen Dünger produzierten. Ab diesem Zeitpunkt konnten wir eine enorme Verbesserung der Qualität des Kompost fesstellen, Daraufhin beschlossen wir, alle sechs Schritte zur Energetisierung des Kompostes selber zu übernehmen, was diesen enorm verbesserte. Der Kompost hatte eine grossartige Struktur, roch frisch und war voll von organischem Leben. Dieses Experiment überzeugte uns so sehr, dass wir alle biodynamischen Prinzipien für unsere Weinberge übernahmen.

Ist es teurer?
Biodynamische Mittel sind in der Herstellung und in Einkauf günstig. Viele Pflanzensude werden von den Weinbauern selber mit geringem Kostenaufwand hergestellt. Manche biodynamische Weinbauern kaufen sogar günstiger ein, da sie keine Herbizide und andere synhtetische Spritzmittel mehr kaufen müssen. Leider bringt der Verzicht auf diese Mittel oft vermehrt Handarbeit mit sich, wie auch einen grösseren Zeitaufwand beim Einsatz der teuren landwirtschaftlichen Maschinen, welche die chemischen Mittel ersetzen.
Kommerzielle Dünger sind beispielsweise sehr günstig und 100 kg Nitrat pro Hektar sind ausreichend, um aus einem Weinberg unglaubliche 100 Hektiloter Wein pro Hektar zu erwirtschaften. Dabei braucht eine Person nur wenige Minuten für die Ausbringung des Nitrats. Bei 10 Tonnen Kompost pro Hektar sieht dies etwas anders aus, besonders wenn der Hang so steil ist, dass keine Traktoren eingesetzt werden können. Dünger von biodynamischen Höfen ist relativ teuer, die Gewinnung ist üblicherweise arbeitsintensiv und erfordert viel Zeit und Platz wie auch Maschinen für dessen Ausbringung in den Weinbergen.

Die erschwerten Bedingungen werden dann sichtbar, wenn man bedenkt, dass die Biodynamik keine Heilmittel kennt. Alles orientiert sich an der Prävention und der Weinbauer muss ständig in seinen Weinbergen sein und die Böden und Reben beobachten, um das kleinste potenzielle Problem frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren.

Die Bodenpflege (was mit Sicherheit die grösste Investition eines biologisch arbeitenden Weinbauern ist) kann ebenfalls einen massiven Kostenanstieg zur Folge haben, im Vergleich zum Einsatz von Herbiziden. Ein jährliches Herbizidprogramm kostet zwischen 150 und 300 Euro pro Hektar, und eine Person benötigt ungefähr ein bis zwei Stunden pro Hektar für deren Ausbringung. Die Bodenbearbeitung mit einem Traktor muss hingegen mindestens vier- bis sechs Mal wiederholt werden (in einem warmen, feuchten Jahr manchmal auch mehr). Deren Wirksamkeit hält unterschiedlich lange an, und die Bearbeitung erfordert normalerweise verschiedene landwirtschaftliche Maschinen. In einem einfachen Gelände (z.B. in einem flachen Weinbaugebiet) dauert es zwei bis sechs Stunden pro Hektar, um nur einmal jede Reihe in einem dichten Weinberg zu befahren. Dies muss von einem geübten Fahrer ausgeführt werden und mit Traktoren und Maschinen, die viel komplizierte und teurer sind als gewöhnliche Herbizid-Spritzmaschinen.

Biodynamiker haben häufig ein hochgestecktes Qualitätsideal und entwickeln daher Verfahren, welche die Kosten enorm in die Höhe schnellen lassen. Am leichtesten verständlich ist der Ertragsrückgang pro Rebe, bei einer erhöhten Rebdichte pro Hektar. Spitzenweine werden von Weinbergen mit niedrigerem Ertrag gewonnen, jedoch auch von Weinbergen mit eine hohen Rebdichte. Um die Anzahl der Trauben pro Rebe zu reduzieren, wird das Verhältnis von Laub zu Trauben und von Wurzeln zu Trauben erhöht. Die Kosten pro Flasche bei der Bewirtschaftung eines Weinbergs von 10.000 Reben pro Hektar, der nur 35 Hektoliter pro Hektar hervorbringt, sind auch ohne Taschenrechner sichtbar, verglichen mit nur 3.000 Reben, die zweimal so viel hervorbringen! Oft können Weinberge mit einer geringeren Rebdichte mit grösseren und schwereren Traktoren bearbeitet werden, die nur halb so viel kosten wie spezielle, schmalere, leichtere Gummi-Raupen-Systeme, welche schonender für den Grund und Boden sind.

Der Respekt für die Erde ist den biodynamischen Weinbauern ein grossen Anliegen. Die Zusammenpressung des Bodens schadet nicht nur der Struktur, sondern auch dem Leben des Bodens. Wenn kein Sauerstoff vorhanden ist, ist kein Leben und somit auch keine Wurzelentwicklung möglich. In kompakter Erde sind die Wurzeln oft sehr nahe an der Erdoberfläche und können nicht in die Tiefen des Bodens vordringen. Daher kann sich der Charakter der Erde auch nicht in den Trauben widerspiegeln.
Eine mechanische Erntemaschine schadet dem Boden fast mehr als den Trauben! Und selbst die leichteste Maschine wird immer schwerer sein als eine Person. Daher bevorzugen viele Biodynamiker Handarbeit. Dabei kann die Arbeit besser erledigt werden und die Rebe belohnt die Anwesenheit des Weinbauers im Weinberg. (Abgesehen von der Ernte beschäftigt unser Anwesen 26 fest angestellte Personen, womit es durchschnittlich 15.000 Kisten Wein von 40 Hektar herstellt. Damit liegen die Personalkosten 6,5-mal über dem Durchschnitt im Elsass.)

Ist es der Mühe wert?
Die biodynamische Landwirtschaft respektiert die Erde und das Leben. Sie verursacht keine Umweltverschmutzung, setzt keine Gifte oder toxische Substanzen frei, die dann in der Luft, der Erde, auf den Pflanzen (Trauben) oder im Grundwasser zu finden wären. Abgesehen von den Umwelt- und Gesundheitsaspekten, sollten die Weinliebhaber auf Persönlichkeit und Charakter ihrer Weine achten. Übermässige Ernteerträge, tote Böden, Reben, die mit Mineralsalzen gedüngt werden etc., können keine wirklich charakterreichen Trauben hervorbringen. Diese werden lediglich den chemischen Charakter der Substanzen entwickeln, die der Wein-"Produzent" eingesetzt hat.
Solche Trauben erfordern geschickte und erfahrene Wein-"Hersteller", welche viel Make-up verwenden, um das Fehlen des Charakters zu verschleiern. Önologen haben aromatische, kultivierte Hefen erfunden, neues Eichenholz und alle möglchen anderen Wunderdinge, die all den Weinen die gleichen Charaktereigenschaften verleihen. Nur Anbauprinzipien, die das Leben respektieren, werden Weinbauern ermöglichen, den wahren Charakter ihres Klimas, der Weinsorte und des Bodens auszudrücken.

Wein wird natürlich aufgrund seiner aromatischen Vielschichtigkeit, Harmonie, Konzentration, Persönlichkeit, seines Genuss- und Alterungspotenzials etc. beurteilt. Wein sollte jedoch auch aufgrund seiner nicht durch den Geschmackssinn feststellbaren Qualitäten beurteilt werden. Während des Trinkens von biodynamischem Wein absorbiert der Trinkende auch all jene Kräfte, die bei der Entstehung des Weines mobilisiert wurden.
Wollen wir wirklich all die destruktiven Kräfte, welche beim konventionellen Anbau zur Anwendung kommen, in unseren Körper aufnehmen?

Zitat-Ende.

Ich denke, ein bemerkenswertes Statement auf dem Boden von Tatsachen einer dynamischen Winzer-Erfahrung wars!

Eure olle Weinnase;
"on the road again" in Sachen "Reiner Wein"!


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