Weinnase: Geschichten aus 2007

Ein Kleinbürger in Amerika!

oder: "Mein amerikanischer Albtraum!"

16.10.2007

Tach aber auch!

Da, wo ich vor ca. 35 Jahren noch die "Gosse" New York's fand, die BOWERY (das ehem. Brauerei-Viertel der Stadt, die niemals schläft), dort kann der Yuppie und Wallstreet-Banker in eiem 5*-Hotel luxuriös schlafen und dinieren. Dort, wo Gestrandete, Obdachlose und Trinker, Huren und extravagante Künstler und kuriose Spinner sich um ihr Leben und's überleben kümmert und Elend sowie "aktives Leben" einst herrschten, da richten sich die Schönen und Reichen in den renovierten Altbauten und Luxus-Neubauten für 40, 50-Tausend Dollar an Monatsmiete ein!

Junkies und Freaks sind fast vertrieben von all den Glamour und Glitter der Bars und Kneipen für die Touristen und NY's beautiful People und den Preisen. Kostet die Nacht im Verbau des heruntergekommenen Looser-Hotel nur 9 US$, bezahlt der verwöhnte Gast knapp 1.000 $ die Nacht im ***** "BH"-Hotel; neben dem gammeligen "White House"-Hotel für Abgehalfterte, Alte und Arbeiter.
Geworben werden die neuen Gäste und Penthouse-Besitzer mit Slogans, wie das hier NY noch lebendig und interessant und auf gar keinen Fall langweilig ist. Hier im Süden des pulsierenden Herzen Manhatten's, wo eine "kleine" Penthousewohnung für 56.000.000 US$ gerade verkauft wurde.

Die "Bowery-Mission", bei der ältesten Kirche NY ausgesiedelte Suppen-Küche bietet noch immer Suppe und Gottes Wort den Verlorenen und Hungrigen an. Hier trifft man sie noch, die Alten, Siechen und "Underdogs". "Soulfood" bietet hier in der ehem. seit bald 40 Jahren der über 80-jährige Toni Amato mit seinem "Opera-House" im ehem. italienischen Aus- bzw. Einwanderer-Viertel an: jeden Tag italienische Opern stehen auf dem Programm dieses kleinsten Opernhauses in NY.

Als ich damals, vom Wallstreet-Bezirk -mutig- per pedes zurück ins glitzernde öhttp://de.wikipedia.org/wiki/Manhattan ging. Als ich das größte "China-Town" und eines der damals bekannesten Dim-Sum-Restaurants suchte, kam ich durch diese Straße, dieses Viertel, daß mich -wie Harlem und die Straßen um den "Cotton Club", NY's legendäre "Seele des Jazz" - fascinierten Einblick ins unbekannte NY und "menschliche" Treiben gewärte.
Manhattan, die Keimzelle der Stadt kam mir damals schon schön-langweilig und für "Disney-Rummel" in Gips und Plastik, zu teuer und steril vor. Dort wo im "Waldorf-Astoria" in der weltbekannten "Bull&Bear-Bar" mir perfekt die kalifornischen Weißweine serviert wurden war alles perfect, bestens organisiert und clean und softy und mir zu   l a n g w e i l i g   -uniform. Lobster von Mayne und Chardonnay aus dem Napa Valley führte -damals- die "Hit"-Speiseliste in fast allen NY-Edel-Luxus-Restaurants.
Bodenständige, italienische Küche fand ich, wie original chinesische Küche, an der Bowery und im "China-Town". Und dazu noch bezahlbar (als der US-$ noch 1,89 DM kostete) für mich, Jazz-Fan und Besucher DER Mega-City der Welt. Eine Woche in NY war für mich so teuer wie 3 Wochen Urlaub in Süd-Frankreich, wo selbst einfachste Restaurants und Bistrot's qualitativ besser und schmackhaftere Gerichte servierten und deutlich preiswerter als in NY!

Dieses Stück NY verändert sich dank der Macht des Geldes und gewieften Bankern, Investoren und trendigen Maklern. Wieder wird "die Welt" ein Stück an Originalität verlieren, NY "ärmer" werden an Lebendigkeit & Lebensart.
Mit dem "Eintausch" der Schattenseiten der "Bowery" in eine Luxus-Plastik-Welt für Menschen mit sehr viel Geld, verliert NY sein woh letzten Stück an Identität in manhattan. Dem Punkt mit den USA, wo der einst holländische Siedler "New Amsterdam" gründeten und den ur-alten indianischen Lebensraum für eine Handvoll "Flitter & Tand" den dort ansässigen Native's "abkauften": New York, an der Mündung des Hudson-River und Einwanderer Stadt mit dem Namen "Tor zur Neuen Welt". Dort wo der sog. "Amerikanische Traum" einst für Millionen Flüchtlinge aus Europa, Asien, Afrika und woher sonst auch immer, einst begann.

Harlem, das "angestammte" Stadtviertel hinter'm Central Park für die überwiegend schwarze Bevölkerung der Stadt NY, ist längst schon wieder angesagtes Wohnviertel für Reiche. Vorbei die Zeit der rauchenden Ölfässer und Abriß-Ruinen sowie lodernden Feuer in den Trümmern einstiger haarlemer Bürgerlichkeit. Keine Streetgangs, keine Homeless People, keine "gefährliche" Gegend mehr, die selbst von den rabiaten "Yello-Cab"-Drivern, NY's Taxifahrern -damals- gemieden wurde.

Und hier, bei mir im Dorf, gilt es -leider- auch als chic&fein, in die ehemaligen Häuser der Arbeiter der Stahl- und Eisenindustrie, Denkmäler einer sog. Arbeiter-Kultur aus 1923 und "Achtundsechziger" Hausbesetzer-Kultur als Eigentums-Wohnungen und exclusive Mietwohnungen um- und auszubauen. Selbst in der ehedem berüchtigten Kiefernstr. im Arbeiter-Vorort Oberbilk-FlinGERN macht sich diese Mode breit. Die "Kiffer"-Strasse wurde zum Künstler-Ghetto und zeichnet diesen Wandel -wie in "NY"- nach.
Auch hier macht sich der Yuppie auf und betreibt "Wohnungsaufkauf".

Selbst hier, bei mir im Kiez, bin ich nun so nicht mehr "sicher" vor Mietspekulanten und Investoren. In "Dunkel"-Flingern wird's trendy. Die Idee der Umwandlung der alten Flur-Frauenklinik in FlinGERN zu einem Projekt mit großen Luxus-Apartements mit angesagter Kneipen-Scene ("Flurklinik") und des Klöster'chen der Stiftsdamen in eine Atelier- und Wohngruppe für Privilegierte auf der Flurstrasse beweist diesen Wandel.Und bringt uns um die wenigen, verbliebenen preiswerten Mietwohnungen (Niedigststandard) hier im Kiez.
Dies wäre dann der langsame Tod eines gewachsenen (Arbeiter-)Wohnviertels. Teils mit geschlossenen Straßenzügen voller richtungsweisender Architektur der 1920-iger Jahre unserer Stadt am Rhein. Dort wo einst mittelalterliche Höfe lagen und die kriegstreibenden Preussen ihre Fabriken ("Hohenzollern"-Werke) und Zweck-Wohnbauten neuesten Stils für die Arbeiterkaste schufen und noch bis in die Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts in als-ehrwürdigen Fabriken geschuftet wurde.

Die METRO-Group (AG) hat hier nun ihren internationalen Konzernsitz und bietet, auf altem Stahl- und Kanonen-Fabriken-Gelände, so ca. 6.000 Menschen - Tendenz steigend - einen Arbeitsplatz. Künstler und sog. "Creative" sind in die Gebäude der -nun ruhigen- Hinterhöfe (Fabriken und Gewerbebetriebe) eingezogen. Chice Bars und Restaurants bieten die gastronomische Basis im Kiez von FlinGERN.
Sogar ein kleines Theater ist hier seit bald 10 jahren (Theater Flin) vertreten und spielt oft und gern, aber nicht immer die Kosten ein. Designer-Geschäfte, ModemacherInnen sind ebenso wie der von mir gern besuchte faire Weinhandel des Weinfreundes Hartwig Fricke, das schon sehr bekannte "La Vinesse" hat hier seinen langjährigen Sitz.
Aber unter neuer Anschrift: Lindenstr. 77 und mit der Bahn 708 von Hbf in ca. 8 Min. (Nähe S-Bahn Wehrhahn!) zu erreichen.

Und ich, die olle Weinnase,
bin immer noch in FlinGERN; beim alten Handelsweg, dem "Hellweg" umme Eck!

CpS


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