Weinnase: Geschichten aus 2007

Selbst ich kann mir ab und an doch noch ein Glas Wein erlauben!

15.10.2007

Tach aber auch!

"Wie kannst du dir datt alles erlauben? Mit deiner kleinen Rente geht datt doch nitt!" fragte mich vor Wochen ein alter Bekannter, der aber noch 12 Jahre auf seine Rente von der DRV-Bund warten und wohl in 2, 3 oder 4 Monaten seine Kündigung erwarten kann. Nach 15 Jahren ununterbrochener Betriebszugehörigkeit droht dann die staatlich verordnete AFG-Armut. Denn rein statistisch gesehen gibts ja die "Altersarmut" gar nicht - wohl die der 100.000 fachen Kinderschar in der BRD.

Ja, dies tut meinem Bekannten wohl recht weh, in ca. 24 Monaten zu den ALGII-Verarmten zu gehören. Deswegen wollte er wohl von mir wissen, wie man >so< arm dran überhaupt leben kann. Und datt man datt in Deutschland -noch- als "Alimentierter" kann, beweise ich seit nun fast 7 "mageren" Jahren; nur 7,8 kg habe ich von meinem Übergewicht von 32,5 % bei 178 cm und einem Alter in der Klasse der 60-70-jährigen, in dieser langen Zeit abgenommen. Notwendigerweise (Diabetes II) habe ich Gewicht abgebaut und mir bergnüglich die weite Wein-Welt angeschaut und viel gereist. Mein eist hat dabei genügend an eindrücken sammeln und mit intellektuell gefordert. Daneben habe ich noch regelmäßig Wein geordert und in/aus vollen Zügen genossen. Auf so vielen Degustationen wurden mir vinophile Neuigkeiten oder seltene Raritäten großzügig wie hurtig vorgestellt und eingeschenkt.
Ich habe mich dafür bedankt und lauthals und aus voller Kehle, mein "GLück im Glass" all denen verkündet, die sich nach solchen glücklichen Stunden in fröhlichen Runden sehen und so wenig davon zu sehen bekommen.

Wein- und Gourmet-Messen, feines Fast-Food-Essen oder Convenience-Marathons sowie Finger-Food-Slaloms überzeugten mich -gratis-, daß das nicht meine Welt mehr ist. Wo ein jeder Gast -200fach- das Selbige wie der Teller nebenan serviert bekommt.
Vernissagen besuchen tat ich öfter mal wagen. Und dann die Fragen über mich ergehen lasen, was ich nun vom "verehrten Meister", dem gastgebenden und ausstellenden Künstler, gesammelt hätte?! Und was ich denn zu dem oder dem Exponat zu sagen hätte? Meist wurden mir aber -ungebeten- von den steten Alles- und Besser-Wissern ihre Ein- und Aussichten oktroyiert. Ich hab' dann, mich schützend, laut und vernehmlich gegähnt und dem verdutzten Oktroyisten eingestanden, datt ich wie dumm nur auf die Eröffnung des Bufetts nebst (Sekt) Prosecco erwartungsfroh herumgestanden hab'!
Danach schwieg der bekannte Sammler und Kunst-Experte und ich ging flux zum Garnelen-Häppchen auf Pumpernickel. Der Schwätzer schioen, irgendwie... beleidigt und ich zog mich nun, das Bufett war geräumt, eiligst zurück zum Galerie-Ausgang.

Beim "Hosen-Mann", bei Aldi nebenann, waren vorgestern 2 Hosen für 45 Euro >in meiner Übergröße 27< dran. Zu Hause machte ich mich dann mit einem abwaschbaren Codierstift dran, an einer Hose leichte Farbstreifen zu zeichnen. Der desinteressierten und overdressten polnischen Verkaufs-Shop-Dame tat ich heute diese Hose als Reklamation vorzeigen, um mir den üblichen Nachlaß bei so mängelgehafteter Ware, einzustreichen. Die 5 Euro tat ich gutgelaunt einstreichen, was einen Nachlaß von 11,11 % ausmachte für zwei der modischen Hosen, die aus indischer Baumwolle in China, von Miss Ling, fleissig wie billig, produziert werden.
Samstag kauf ich bei "CENTS" frisches Fleisch, kurz vor Filial-Schluß, mit 30 % Preisnachlaß ein, der Back-Shop ums Eck an der Straßenbahn-Haltestelle verkauft seine Backwerk-Schnellfix- und Fertig-Brotschnitten für 66 Euro-Cents zum Weekend, das Kilo "frisches Brot"!

So, und wo habe ich dann meine liebe Not und Sorge - ohne daß ich mir von jemand was borge - auch diesen Monat zu überstehen!

Den "Château Petrus" laß' ich schon lange in besonders verschlossenen Regalen stehen und werde auch nicht "rot", wenn ich meinen MSR-Liter-Weißwein, von einer deutschen Großkellerei am Mittelrhein, für 1,69 Euro bei ALEX-Resterampe einpacke.
Dabei sind deutsche Weiß- und Rotweine gar nitt mal sooo teuer und bieten den fleissigen Polen Brot und niedrigen Lohn für knochenmörderische Handarbeit bei Tag und manchmal in der Nacht.
Ich frag mich, wie hat der BRD-Winzer den >2004er Portugieser QbA< für 3,50 Euro (*) oder >2005er Riesling Kabinett< für 3,80 Euro oder >2004er St. Laurent -trocken-< für 4,50 Euro [(*)Liter-Flasche!] gewinnbringend produzieren können und dabei noch sein Darlehen bei der Raiffeisenbank in Weinstett zurückzahlen und auch Mauritius noch 8 Tage AI-Urlaub bezahlen können? Acht Tage, einmal im Jahr sind die Winzers-Leut - so alle 4, 5 Jahre nicht für die Reben und direktvermarkteten Käufer - auch am Wochenende - nitt da! -.

Ich lebe auf 42 qm subventionierter alten Wohnfläche und teile mir mit meiner lieben Ehefrau die Räume. Zwar nitt gerade riesiege Wohnträume, aber... zumindest warm und fließend Wasser, sogar ein Bad/WC haben wir.
Mein netter Hausarzt ist Internist und hat mich immer mal vermisst, weil ich die Praxis-Nutzungsgebühr nicht aufbringen oder mich durchringen konnte, 73,40 Euro für die 4-5 Wochen-Versorgung mit notwendigen 9 (!) Medikamenten abzuzwacken. Dann habe ich halt die Tabletten halbiert oder geviertelt und dennoch überlebt. Die ärztlichen Ver-/Gebrauchsmuster habe ich als eine milde Gabe stets dankbar quittiert.
Obst und vieles an Gemüse bauen wir kleingärtnerisch für unseren 2-Personentisch biologisch und knackig-frisch seit Jahren selber an. Sonst kämen wir an frisches Obst und Gemüse der Saison selten dran.

Meinem Bekannten, dem netten, jungen Mann, habe ich diesen Abriss meines/unseres alltäglichen Lebens natürlich nicht erzählt. In seiner Ängstlichkeit hätte er sicherlich noch vor seinem Hartz-IV-Bezug verzweifelt.
Ganz verstört gewesen wäre er, wenn er wüsste, daß er seinen 3 Jahre alten VW Golf verkaufen muß und ich mir im ÖPNV eigentlich ein überteuertes Ticket kaufen müsste. Müsste ich, kann es aber nicht bezahlen, will ich mir gelegentlich meine/unsere garantierte Mobilität im VRR-Bereich erhalten. Reisen, Urlaub machen, daß können wir Alten nun doch nicht. In die Umgebung und zu den Ärzten bin ich als "Risc-Driver" on the road. Werd' ich von den Kontrolleuren geschnappt, bin ich 40-60 Euro Bußgeld quitt. Aber fitt um zu laufen oder zu radeln bin ich als Kranker nun mal nitt. Und, obwohl sich das "Prüfpersonal" in der Rheinbahn seit neuester Zeit wie Penner oder ausl. Studenten aus Afrika "verkleidet", hab ich die Greifer-Brigade doch noch immer rechtzeitig entdeckt weil ich "hellwach", die Lage gecheckt habe.

Überlebt haben wir schon und auch beim Zahnarzt Dr. Günther Rupf die Zusatzkosten von 2.744,00 Euro gemeistert und uns nichts mehr seit 2 Jahren zur Weihnacht und Geburtstag geschenkt und meine Frau sich neue Schuhe und Bluse "geschenkt", d.h. wir haben verzichten gelernt.
Und noch was dazu!

CpS


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