Weinnasen-Geschichten aus 2008

(M)Ein langer Weg in den Süden!

- Beginn in der Neuen Welt: Brasilien -

22.08.2008

Eine wohl anstrengende Reise ist die in das Gebiet weit des ehemaligen GOTTESSTAAT, das heute als UNESCO Weltkulturerbe der Menschheit gilt. Wenn dieser "Ehrentitel" je seine tiefere Bedeutung im wahrsten Sinne des Wortes, "verdient" hat, dann das riesige Gebiet der < MISSÓES JESUITICA DOS GUARANIS >.
Hier lag das wichtigste und größte "zusammenhängende" Siedlungsgebiet der Völker der Guaranis, den indigenen Ureinwohnern. Heute im Staatsgebiet des bras. Bundesstaates RIO GRANDE DO SUL (RS) zu wesentlichen Teilen liegend. Einst im Staat PARAGUAY und in der Provinz Misiones von Argentinien liegend. Mit den autarken Siedlungen, den sog. Reduktionen (=Reducones) im Nordwesten von RS, den erfolgreichen Siedlungen der Juesuiten (gegründet vom einstigen -erfolgreichen- span. Granden und General <Ignatius von Loyola> gegründeter Orden "Societas Jesu" ("SJ"), der "Gesellschaft Jesu" 1543 gegründeter kath. -"papsttreuer"- Orden mit langer (ca. 20 Jahre!) Ausbildung in straff-militärischer Ogranisation!).
Sao Lourenco, Sao Miguel, Sao Borja, Sao Joao Batista und das Missoes Sao Nicolau sind die Namen der mir bekanntesten Missionen. Hier haben die "einfach" lebenden Brüder und Patres (=Priester) auch ihre Elite-Schulen, die COLÉGIOS, gehabt. Lehre und lernen sowie den Menschen in ausgeprägter Mobilität "dienen", war der für die damaligen Zeiten so kaum bekannter, neuer pragmatischer Ordenstyp, der vielseitig und erfolgreich mit den Ureinwohnern des Landes, den Guarani-"Indianern" fruchtbringend missionierten =arbeiteten und lebten!

Das damals konsequent durch- und umgesetzte umsoziale und inliberale Prinzip der <ENCOMIENDA>, eine Art der perfiden Leibeigenschaft durch span. und portug. Granden und Großgrundbesitzer sowie Investoren aus der "Alten Welt" = Europa, wurde durch das jesuitische "Redeciones"-System, mit und bei den "Indianern" in einer Einwohnerzahl von über 100.000 Guaranis in 14 Reduktionen (span. "reducir" =Siedlung!) Schutz und eigene, wirtschaftlich-soziale sowie "feinste" Ausbildung "geboten". In nur knapp 15 (!) Jahren wurde so der beneidete "Gottesstaat der Jesuiten", in friedlichem sowie fruchtbringendem Zusammenleben einer solidarischen Gemeinschaft mit noch heute gültigen, "modernen" Sozialnormen aufgebaut.
Durch päpstliches Edikt, dem Papst 1767 von den "Silbermännern", den Argentiniern und den plündernden <Bandeirantes>, "Fahnen tragende" portug. Expeditionstruppen aufgelöst und ermordet sowie brutal versklavt, zahlte das Volk der Guaranis den "hohen Blutzoll" von über 60.000 (!) in tödliche Sklaverei der Gold- und Diamanten-Minen sowie Groß-Plantagen verschleppt und der Genozid war -fast- perfekt. Die Missionen/Siedlungen waren vernichtet und ausgeraubt: Schutt und Asche der einst so wegweisenden "Modell"-Siedlungen einer solidarischen wie liberal-sozialen Grundordnung christlicher Prägung sind noch heute die traurigen Zeichen einer einst so in Latein-Amerika vorherrschenden Beute-Kultur der zivilisierten "Alten Welt" - "Aristokratie".
Mit der jesuitischen Ordensprovinz <PARAQUANA< war das Experiment in der Neuen Welt sehr erfolgreich (1588-1604!). die "bahnbrechende" Idee von <Las Casas>, die Eroberung von der christl. Missionierung strikt zu trennen, beflügelte dazu das Jesuiten-Projekt "Schutz und Erziehungsgebiete für Indigenas". Die eigentlichen, "tieferen" jesuitischen Ideale waren jedoch so "revolutionär", daß das die königl. Herrscher-Häuser und ihre Statthaltern (=Ausbeuter) in der Neuen Welt mehr als beunruhigte. Wollten sie doch ihre konkurrierenden Herrschafts- und Beutegebiete unter spanischer und portugiesischer Krone in Ruhe ausbeuten. Die grade bekanntgewordenen riesigen Gold-, Silber- und Diamanten-Vorkommen sowie die exotischen "Naturschätze" sollten ihren in prahlerischer Verschwendungssucht sowie Gier und Ignoranz, geschundenen königl. Taschen - verbrecherisch handelnd, teils mit massiver klerikaler Hilfe - und Schatztruhen füllen!

Erst nach dem sog. Guarani-Krieg (1754/1756), unter einem riesigen Expeditions-Heer der "iberischen Kronen" (Spanien und Portugal) wurden die best-ausgebildeten und noch motivierten jesuitischen Indianer-Krieger bei der Vernichtunsschlacht von <Caibaté> geschlagen. Mit dem -heute noch teilweise- Guerilla-Krieg, in den riesigen Wäldern und Weiten des erst 1801 von Brasilien annektierten "Indianer-Gebiet", geht der Leidensweg der Ureinwohner weiter, ging das einst so friedliche wie erfolgreiche Sozial-Experiment der Jesuiten "verloren" und in gewollte, päpstliche "Vergessenheit" unter Clemens XIV. in Rom.
Mit dem grausamen "Paraguay-Krieg" (1865-1870) waren die Guarani fast vollständig (in Paraguay) vernichet. Zu übermächtig und brutal waren die riesigen Heere der "modernen" Waffenstaaten der sog. "Tripel-Allianz" aus Argentinien, Brasilien und Uruguay.

So endete, nach fruchtbringenden, friedlichen und wohl "gottgefälligen" 150 Jahren der "Gottesstaat" der Jesuiten in Blut und Tränen und noch heute (!) andauerndes Trauma der restlichen, kleinen Stammesgruppen der sehr misstrauisch und zurückgezogenen Guarani und ihren europäischen Mitarbeitern und Brüdern, der teils in den bestialischen Kriegen gegen Zivilisten gemordeten Jesuiten.
Erst 1814 wurde der einstige päpstliche Bannspruch aufgehoben und das Dekret Karl des III. außer Kraft gesetzt. Die Missionen gibts dadurch nicht mehr. Viel mehr als Ruinen unter Urwald-Bewuchs und kleinere, kaum nennenswerte "schüchterne" Aufbauten (Teil-Rekonstruktionen) lassen das von den einstigen "Geistesgrößen" ihrer Zeit so als sensationell und richtungsweisend gelobten Jesuiten-Experiment mehr erahnen, denn in seiner wahren Bedeutung und Chance für die Neue Welt erahnen: Die reale Möglichkeit einer "besseren und menschlicheren" Welt in Harmonie mit der Natur und solidairscher Gemeinschaft mit den Ureinwohnern, den Guarani.

Es lohnt sich, hier die Schriften und Berichte des fair und korrekt urteilenden Montesquieu zu lesen:
"Es gereicht der Gesellschaft Jesu (SJ) zum Ruhm, die erste gewesen zu sein, die in diesen Ländern die Verbindung der Religionen mit der Idee der Menschlichkeit verwirklichte. Indem sie die Verwüstungen der Spanier wiedergutmachte, begann sie eine der schwersten Wunden zu heilen, die die Menschheit <in so seit 500 Jahren andauernd> je empfangen hat!"

Wen wunderts, wenn ich es versuchen werde, diesen "zaghaften", doch noch überlebenden "Heilungsprozeß" und "Guten Willen" etwas weiter zu helfen. Hier, im Gebiet der <SETE POVOS DAS MISSOES ORIENTAIS>, an der Rute der RB 285 liegend, in lieblich zu nennenden Landschaften des Grenzgebietes im westlichen Teil der bras. RS zu Argentinien und "in der Nähe" zu Paraguay gelegen. Mit der Reducio "Santo Angelo" als operativee Basis, die der aus Belgien stammende, und von den Guaranis noch heute verehrte Padre Diego HAZE 1706 gründete. Hier, wo 1924 nochmal brasilianische Geschichte des "langen Marsch" von/unter Luis Carlos Prestes, nach 25.000 "tödlichen" Kilometern und von über 14.000 (!) "beste" Waffen tragenden Regierungstruppen verfolgt, überlebte er als kaum bekannter Revolutionär seit 1960 im "Ostberlin"; ausgebürgert und verbannt!

CpS


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